1. Kor 1, 18-25 Das Kreuz – Unsinn oder Weisheit?

26.06.2022

Heute geht es darum, dass niemand das Kreuz Jesu verstehen kann, dass es aber das Wichtigste, die Mitte des christlichen Glaubens ist. Ich lese aus dem Anfang des 1. Korintherbriefes 1, 18-25:

18 Die Botschaft, dass für alle Menschen am Kreuz die Rettung vollbracht ist, muss denen, die verloren gehen, als barer Unsinn erscheinen. Wir aber, die gerettet werden, erfahren darin Gottes Kraft. 19 Gott hat doch gesagt: »Ich will die Weisheit der Weisen zunichtemachen und die Klugheit der Klugen verwerfen.« 20 Wo bleiben da die Weisen? Wo die Kenner der Heiligen Schriften? Wo die gewandten Diskussionsredner dieser Welt? Was für diese Welt als größter Tiefsinn gilt, das hat Gott als reinen Unsinn erwiesen.     
21 Denn obwohl die Weisheit Gottes sich in der ganzen Schöpfung zeigt, haben die Menschen mit ihrer Weisheit Gott nicht erkannt. Darum beschloss er, durch die Botschaft vom Kreuzestod, die der menschlichen Weisheit als Torheit erscheint, alle zu retten, die diese Botschaft annehmen.       
22 Die Juden fordern von Gott sichtbare Machterweise; die Griechen suchen in allen Dingen einen Sinn, den die Vernunft begreift. 23 Wir aber verkünden den gekreuzigten Christus als den von Gott versprochenen Retter. Für Juden ist es eine Gotteslästerung, für die anderen barer Unsinn. 24 Aber alle, die von Gott berufen sind, Juden wie Griechen, erfahren in dem gekreuzigten Christus Gottes Kraft und erkennen in ihm Gottes Weisheit. 25 Gott erscheint töricht – und ist doch weiser als Menschenweisheit. Gott erscheint schwach – und ist doch stärker als Menschenkraft.                                                                              (Gute Nachricht Bibel)

  1.  euze wo man auch hinsieht

Kreuze sieht man überall. Auf Kirchtürmen, auf Grabsteinen, als Würdezeichen an der Brust von Klerikern, als Ehrenzeichen für Soldaten, als Tattoo oder als Schmuckstück. Das Kreuz ist das Markenzeichen der Christen. Keine Kirche ohne Kreuz. Auf Bibeln finden wir es eingeprägt auf den Umschlägen.

Da kann man schon mal vergessen, was das Kreuz ist: Ein Folterinstrument ist, ein Tötungswerkzeug, zusammengenagelt um Menschen qualvoll hinzurichten. Erfunden haben es die Perser, die Römer haben es übernommen. Entlaufene Sklaven oder Widerstandskämpfer wurden gekreuzigt. Jeder sollte sehen, wohin es führt, sich gegen die römische Ordnung aufzulehnen. Nur Römer selbst durften nicht gekreuzigt werden.

Unser Erkennungszeichen als Christen ist ein Hinrichtungswerkzeug, so wie ein Galgen, eine Guillotine, ein elektrische Stuhl. Ich glaube nicht, dass Gott will, dass wir das vergessen. Ich glaube, es ist  eher  der Teufel, der uns die Bedeutung des Kreuzes vergessen machen will,  der dem Kreuz seine Bedeutung nimmt.

Warum ist uns das Kreuz so wichtig? Warum bekreuzigen sich manche Christen, wenn sie beten, wenn sie eine Kirche beteten oder bevor sie den Tag beginnen? Das Kreuz hat nichts Sentimentales, es hat nichts Schönes. Es ist ein Zeichen dafür, was Menschen Menschen antun können! Christen sollten  das wissen, wenn sie Kreuzträger sind. Sie tragen da kein  harmloses  Symbol um den Hals.

Aber das Kreuz ist zurecht das Symbol für unseren Glauben. Wir tragen das Kreuz als das Kreuz, an dem Jesus für uns gestorben ist. Er hat für uns die  grausamen Qualen getragen, die mit diesem Henkerswerkzeug  verbunden sind. Nicht das Kreuz wird verherrlicht, sondern der, der es für uns getragen hat! Für ihn steht das Kreuz. Das Kreuz bildet die Mitte, den Grund unsers Glaubens. Unsere ganze Hoffnung hängt daran:  Gott hat alles für uns getan, damit wir alles von ihm geschenkt bekommen. Dafür steht das Kreuz.

  1. Das Kreuz versteht niemand

Eine der  ältesten Darstellungen  des Kreuzes Jesu ist eine Karikatur  in einer antiken Wachstube der kaiserlichen Garde  in Rom. Mit wenigen Strichen gezeichnet hängt da ein Mensch am Kreuz mit einem Eselskopf. Davor  ein Soldat in der Rüstung eines Legionärs. Daneben die Worte: „Alexamenos betet seinen Gott an.“ Offenbar hat es in der  kaiserlichen Garde einen Soldaten namens Alexamenos gegeben,  er hat sich zu Christus bekannt.  Seine Kameraden haben ihn mit dieser Zeichnung verspottet, sie haben ihm gezeigt, was sie davon halten:  An einen gekreuzigten Retter zu glauben, das ist eine Eselei, eine absolute Dummheit.

Das Kreuz versteht niemand. Aus einem Buch von  Axel Kühner  habe ich jüngeres Beispiel: Ein Pfarrer erzählt: „Nach einem Vortrag kommt eine Frau zu mir und sagt: An einen barmherzigen Gott im Himmel glaube ich auch, aber einen gekreuzigten Jesus brauche ich nicht.  Ein leidender, blutender Christus am Kreuz ist mir zu unappetitlich und zuwider!” (Axel Kühner Das große Textarchiv, Elektr. Ausgabe Nr. 72)

Das Kreuz versteht niemand. Jesus war ein besonderer Mensch: Darauf kann man sich einigen! Ein begnadeter Helfer, ein großer Lehrer, ein Sozialkritiker, der sich für die Schwachen eingesetzt hat, auch für Frauen, der sich mit Sündern an einen Tisch gesetzt hat. Er hat die Heuchelei der Frommen aufgedeckt, die das Gesetz und die Gebote kannten, aber die Liebe nicht. Sie hat er Heuchler genannt. „Blinde Blindenführer“ (Matth 15,14). Gestritten hat er am Meisten mit den „Kennern der Heiligen Schriften“. Aber wozu musste Jesus am Kreuz sterben? Was soll das? „Ein Gott der das braucht ist nicht mein Gott.“

Das Kreuz versteht niemand. Was wir aber festhalten können, ist, dass es Gott selbst ist, der da am Kreuz hängt, der da schreit und stirbt. Gott hat niemanden für sich sterben lassen! Er ist für uns gestorben. Er hat sich für uns dahingegeben. „Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir gerettet werden,  ist ́s eine Gotteskraft.“ hat Martin Luther übersetzt.

  1. Es geht um Rettung            

Beim Kreuz geht es um Rettung und um eine Kraft in unserem Leben. Von Rettung spricht man, wenn sich jemand selbst nicht helfen kann. Von Rettung spricht man, wenn jemand in Gefahr oder schwerer Not ist oder sein Leben verlieren könnte. Man kann sich selbst nicht mehr helfen  und  dann kommt jemand von außen  und  rettet mich. Der da kommt, hat andere Möglichkeiten, andere Wege, er greift ein, tut alles, um mich zu retten.

„Für uns, die wir gerettet werden, ist das Kreuz eine Gotteskraft.“ Da finden wir Trost,  Freude, Gnade, Hoffnung, Frieden mit Gott. Unter dem Kreuz finden wir immer Asyl.

Aber woraus oder wovor werden wir denn gerettet? Paulus geht es um die Rettung aus der ewigen Verlorenheit. Es geht um Rettung vor der Verzweiflung und Einsamkeit nach dem Tod. Gott will uns retten vor einer Ewigkeit ohne Gott. Im Römerbrief, Kapitel 1, Vers 18, schreibt Paulus: „Alle Menschen sind dem Gericht Gottes verfallen! Keiner ist gerecht, auch nicht einer. Sie alle, (wir alle!), sind Sünder!“

Kein Mensch ist vor Gott gerecht. Das heißt nicht, dass alle Menschen nur schlecht sind!  Menschen können Gutes tun. Viele Menschen tun anderen Gutes! Es gibt große Unterschiede zwischen Menschen. Wirklich böse Menschen, Lügner, Betrüger, Mörder. Und andere bewirken viel Gutes. Warum müssen alle gerettet werden?

Im Bibelgespräch fragte neulich jemand sinngemäß: „Was habe ich  denn Schlimmes getan? Warum muss ich gerettet werden? Das klingt so, als wären alle ganz schlimme Menschen!“ „Wir sind alle Sünder“ schreibt Paulus im Römerbrief (3,23), „weil wir die Herrlichkeit nicht erreichen, die Gott angemessen ist, die wir bräuchten, um vor Gott bestehen zu können.“ Um es in einem Bild zu sagen: Gott ist das hellste und reinste Licht, alles Dunkel wird von diesem Licht aufgehoben, nichtig gemacht, zerstört. Alles und alle, die zu ihm kommen und auch nur etwas Dunkel an sich haben, können vor seiner Herrlichkeit nicht bestehen. So wie Dunkel von Licht ausgelöscht wird.

Es sind nicht alle Menschen gleich und es ist auch nicht egal, ob sie Gutes tun oder nicht. Aber wir alle haben diese „Krankheit“ in uns, die Paulus Sünde nennt. Eine „Gottesferne in uns selbst“. Eine Macht in uns die uns hindert, die Liebe so leben, wie es Gott entspricht. Wir tun sogar das, etwas wir eigentlich hassen, ablehnen, selber nicht für richtig halten. (vgl. Röm 7) Kein Mensch lebt so gerecht, so barmherzig, großzügig, geduldig, demütig wie es Gott entspricht. Darum kann niemand von sich aus vor Gott treten. Wir müssen gerettet werden.

Das griechische Wort für Sünde, das Wort, das Paulus verwendet, lautet Hamartia. Das Wort Hamartia wird auch für eine Zielverfehlung verwendet. (Überprüfen kann ich das nicht, aber es ist in jedem Fall ein gutes Bild.) Wenn jemand einen  Pfeil abschießt  auf ein Ziel hin, das Ziel aber nicht trifft, dann wird der Abstand zwischen dem Ziel und dem Punkt, wo der Pfeil gelandet ist,  seine Hamartia genannt.

Im Bild gesprochen: Gott schenkt uns das Leben. Gott schießt jeden von uns wie einen Pfeil in unser Leben. Mit viel Potential. Mit vielen Möglichkeiten, Gott zu ehren, Menschen zu dienen, Gutes zu tun. Und kein Pfeil trifft! Niemand erreicht das Ziel, das Gott mit ihm vorhatte, womit Gott ihn  ausgestattet hat, was Gott ihm für Möglichkeiten im Leben gegeben hat. Selbst bei bestem Willen nicht.

Wenn Paulus schreibt, dass alle Menschen Sünder sind, bedeutet das nicht, dass alle Menschen nur böse sind. Aber sie alle bleiben zurück hinter dem,  was Gott sich mit uns Menschen gedacht hat. Am Kreuz hat Gott alle Abstände zwischen uns und ihm aufgehoben, ausgelöscht, durchkreuzt. Als hätten wir ins Schwarze getroffen! Niemand kann von sich aus zu Gott kommen. Gott aber hat für alle den Weg frei gemacht! Dafür steht das Kreuz.

  1. Die Juden fordern Zeichen. Die Griechen fordern Weisheit

Die Gute-Nachricht-Bibel übersetzt den Satz so: 22 Die Juden fordern von Gott sichtbare Machterweise; die Griechen suchen in allen Dingen einen Sinn, den die Vernunft begreift.   Die Juden wollen etwas sehen, die Griechen wollen verstehen. Dass Jesus am Kreuz gestorben ist, ist für beide ein Hindernis. Beide wollen Sicherheit im Glauben. Die Juden wollen einen Beweis. Gott muss eingreifen. Israel von den Römern befreien. Oder große Zeichen am Himmel. Wie kann ein Mann am Kreuz Menschen befreien, Gottes Reich aufbauen? Dazu braucht er Macht. Das Kreuz aber zeigt, wie ohnmächtig dieser Jesus gewesen ist. Gott hat sich eben nicht zu ihm gestellt. Nur wo gesiegt wird, da kann man Gott erkennen!! Ein schwacher Gott, ein Gott, der in Schwäche kommt, das ist kein Gott. Der Messias wird ein Sieger sein. Steig herab vom Kreuz, wenn du der Messias bist!

Diese Sehnsucht nach einem starken sichtbaren Gott gibt es natürlich auch heute noch. Man will auf der Seite des Siegers stehen. „Ich will etwas sehen von Gott. Eine Heilung, noch eine Heilung, viele Heilungen, wunderbare Führungen, Siege über das Böse in der Welt. Ich will etwas sehen von Gottes Macht. Worauf soll ich denn vertrauen, wenn er seine Macht nicht zeigt?“

Die Juden wollen Zeichen sehen. Die Griechen suchen Weisheit. Sie wollen Gott und die Welt verstehen. Die Griechen sind Philo-Sophen: d.h. übersetzt „Freunde der Weisheit!“ Auch in der Gemeinde in Korinth stand die Weisheit hoch im Kurs. Unser Predigttext gehört zum Anfang des Briefes. Paulus schreibt, warum er diesen Brief schreibt: Es gibt Parteiungen in der Gemeinde. Mitglieder, die gut reden können,  die etwas darstellen, die ihre ganze Weisheit  in die Schale werfen, die den Glauben nachvollziehbar, denkbar machen wollen, überzeugen viele.

Paulus kommt in beiden Parteien schlecht weg dabei. Er war kein guter Redner. Er hatte keine besondere Ausstrahlung. Er redete immer nur von Kreuz und er hatte sein Kreuz zu tragen. Er war kränklich,  sein Körper zuckte und zitterte,  er konnte seine Hände nicht still halten. So jemand kann ja nicht von der Kraft Gottes reden! Weil er sie nicht erlebt! Paulus ist auch so ein Schwacher. Soll sich Gott etwa in seiner Schwäche zeigen?

Paulus enttäuscht die Juden, die einen starken, sieghaften Apostel sehen wollen. Sie wollen einen praktischen Beweis! Und er enttäuscht die Griechen,  weil er keinen theoretischen philosophischen Beweis bekommen. Sie wollen Gott verstehen, bevor sie an ihn glauben. Was wäre das für ein Gott, den wir in unser Denken, in unserer Logik einfügen könnten? Was ist das für eine Logik? Kann eine Blume ihren Gärtner erklären? Kann ein Hund sein Frauchen verstehen? Beweisen kann man nur was für unsere Sinne wahrnehmbar oder messbar ist.  Wer Gott beweisen will, macht ihn zu einem Teil dieser Welt. Ein Gott, den wir denken können, ist nicht Gott. Das wäre ein Götze.  Nicht mit Händen aber mit unserem Denken gemacht.

  1. Am Kreuz ist Gottes Liebe am Werk!

Wenn man davon ausgeht, wie Menschen sich Gott vorstellen, was Menschen sich für Bilder von Gott machen, dann steht das Kreuz absolut quer. Aber am Kreuz ist Gottes Liebe und Gottes Kraft am Werk.

18 Die Botschaft, dass für alle Menschen am Kreuz die Rettung vollbracht ist, muss denen, die verloren gehen, als barer Unsinn erscheinen. Wir aber, die gerettet werden, erfahren darin Gottes Kraft.

Natürlich ist das Kreuz nur ein Symbol. Ein missverständliches Symbol. Entleert, wenn es zum reinen Schmuckstück wird. Aber dieses Symbol steht für Gottes unbedingte Liebe. Es steht dafür, was Gott in Jesus Christus für uns getan hat. Wenn wir das Kreuz ansehen, vielleicht still werden vor dem Kreuz, wenn wir uns unter dem Kreuz versammeln, dann dürfen wird wissen:

Du bist geliebt. Gott kennt dich, Gott weiß alles von dir. Gott weiß, dass du Fehler machst, seine Ziele so oft nicht triffst, aber er liebt dich. Er will dich. Er hält zu dir. Er hat alles getan, um mit dir Gemeinschaft zu haben. Das Kreuz ist das Zeichen seiner Gnade. Gott ist so stark, so mächtig, dass er für dich ganz klein geworden ist. Er ist für dich ohnmächtig geworden und hat gelitten. Es gibt keine Schuld, die er nicht gerne vergibt. Es gibt keinen Schmerz in deinem Leben, den er nicht mit dir fühlt, den er nicht mit dir erleidet.

Das Kreuz ist die Erinnerung für alle, die schon lange mit ihm leben, und es ist die  Einladung für alle, die mit ihm leben wollen: Komm her zu mir. Komm wie du bist. Verstecke dich nicht wie Adam und Eva im Paradies, als sie gesündigt haben. Du kannst mit frei gegenüber treten. In meine Arme kommen. Ich will das so. Ich habe alles dafür getan. Ich warte auf dich.

Amen.

Profitiert habe ich für meine Predigten von den Predigten zum selben Text vom 26.6.2016
von Michael Schaan (Eki-Oeschelbronn.de) und von Winfried Klotz (theologie.uzh.ch)

 

 

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