1. Korinher 16,14 Tut alles aus Liebe

Liebe Gemeinde,

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ Die Jahreslosung für 2024 ist ein Satz von Paulus aus dem 1. Korintherbrief. Die Grafik, die wir hier sehen kommt von Stefanie Bahlinger. Man sieht ein Herz, deutlich aus zwei Teilen. Sie stehen für Gottes Liebe, die durch uns schienen will. Von oben kommt Licht. Oben ist es hell. Die Liebe kommt von Gott. Gott ist die Liebe. Diese Liebe will durch uns schienen. Unten ist es deutlich dunkler. Aber das Licht, Gottes Liebe, bricht sich durch uns nach unten. Das Licht bricht sich in seine Spektralfarben in diese Welt hinein. Es gibt Farbflecken, bunten Reflexionen seiner Liebe in diese Welt und zu den Menschen auf dieser Welt hin.

Wenn man genau hinsieht, erkennt man ganz zart das Fischsymbol zwischen den beiden Flügeln der Liebe. Der Fisch, griechisch Ichtys, als das Symbol der ersten Christen. Die Buchstaben des Wortes Fisch, Ichtys, standen für ihr Bekenntnis: Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter. Die Liebe war das Kennzeichen der frühen Christen. „An eurer Liebe soll die Welt erkennen, dass ihr meine Jünger seid“, hat Jesus gesagt. (Joh 13,35) „Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm“, hat Johannes gesagt. (1. Joh 4,16)

Christsein bedeutet, in Gottes Liebe hinein genommen zu werden. Ein Teil davon zu werden. Ein aktiver Teil zu sein in Gottes Liebe, in der Wahrheit seiner Liebe, in seiner Hinwendung an diese Welt. „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben!“ (Joh. 3,16) „Ich sende euch, wie mein Vater mich gesandt hat!“ sagt Jesus. (Joh. 20,21).

Zuerst gehört dazu, sich lieben zu lassen. Nur wer geliebt wird, kann lieben. Auch das wird in der Grafik von Stefanie Bahlinger abgebildet. – Die Liebe kommt nicht aus mir selbst. Es ist Gottes Liebe, die ich für mich begreife, die ich annehme, in der ich leben lerne, und so lerne ich lieben. Ich werde verwandelt durch Gottes Liebe. Ich werde Teil davon. Ich komme in einen Strom der Liebe hinein. Ich schwimme darin, werde mitgerissen, gebe sie weiter. Gott ist die Liebe und seine Liebe wird ein Teil von mir. Sie wächst. Sie reift. Sie verändert mich. Einen reifen Christen kann man an seiner Liebe erkennen.

Bei der Liebe Gottes, die sich durch uns dieser Welt zuwendet, geht es nicht um ein moralisches Gebot, nicht um etwas, was wir aus uns heraus leisten könnten. Tobias Faix, Lehrer an der CVJM Hochschule, nennt es einen Transformationsprozess unserer Herzen, in den Gottes Liebe und Gottes Geist uns hineinnimmt.

  • „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ So heißt es in der Einheitsübersetzung.
  • „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.“ hat Martin Luther übersetzt.
  • „Alles, was ihr tut, soll von Liebe bestimmt sein!“ Gute Nachricht Übersetzung.
  • „Bei allem, was ihr tut, lasst euch von der Liebe leiten.“ Hoffnung für alle.
  • „Alles bei euch geschehe in Liebe.“ Elberfelder Übersetzung. Kurz, knapp, alles umfassend. Denken, Reden, Handeln, unser Sein, wie wir leben, was wir sind: „Alles bei euch geschehe in Liebe.“

Fordert euch diese Jahreslosung heraus? Oder ist das ehrlich gesagt, eigentlich, ein alter Hut, diese Liebe? Wie viel haben wir davon gehört. Gefühlt finden wir es auf jeder zweiten oder dritten Seite im Neuen Testament, bei Jesus, bei jedem der Apostel. Theoretisch ist uns alles klar. Aber praktisch? Will ich das? Kann ich das? Wie oft haben wir es gewollt und versucht, diese Liebe zu leben und sind doch gescheitert. In unserer Familie, in unserer Nachbarschaft, Kollegen, Mitschülern, Mitstudenten gegenüber, in der Gemeinde.

Ich glaube, es kann passieren, dass wir diese Jahreslosung ganz schnell vergessen oder es zumindest aufgeben. Das schaffen wir nicht. Diese Liebe ist ein Ideal und als Ideal können wir sie stehen lassen. Aber dass ich liebe, dass alles, was ich bin und sage und wie ich handle von der Liebe bestimmt sein soll?  Wie schnell kann es passieren, dass wir diesen Anspruch links liegen lassen.

Es ist absolut wichtig, Liebe als einen Verwandlungsprozess, einen Transformationsprozess zu verstehen, in den Gott mich hineingestellt hat. Es geht darum, bei Gott, in Gott zu bleiben, sich lieben zu lassen, seine Liebe zu begreifen, und so lieben zu lernen. Das ist eine Lebensaufgabe. In eine Haltung der Liebe hineinzuwachsen. Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott! Wer in Gott bleibt, der lernt lieben.

Liebe zu lernen, das hat eine gewaltige Dimension, das ist eine alles umfassende Perspektive. Liebe ist das Zentrum, der Kern unsers Glaubens. Als Jesus gefragt wurde, was das höchste Gebot sei, worum es vor und in allem gehe, was ihn leitet und was uns leiten soll, da antwortet er:  »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt« 39Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Matt 22, 37+39)

An der Liebe entscheidet sich alles. Nicht nur im Persönlichen. In der Familie oder unter Freunden. In allen unseren Beziehungen. In der Gemeinde, im Beruf, an der Uni, letztlich in der ganzen Gesellschaft. Liebe würde alles verändern. – Kann man das vielleicht sagen, dass es das Hauptproblem der Menschheit ist, dass es keine Liebe gibt? Das Hauptproblem in unserer Welt?

Jesus sagt in einer seiner Reden zur Endzeit: „Weil die Gesetzlosigkeit überhandnehmen wird, wir die Liebe in vielem erkalten!“ (Matt 24,12) Sind wir da nicht schon lange angekommen? Ich behaupte einmal, wir leben in einer Zeit eines unglaublichen Egoismus, eines nahezu totalen Individualismus. Jeder ist sich selbst der nächste. Das ganze Leben ist danach ausgerichtet, wie es mir noch besser gehen kann   oder wie ich noch besser nach außen aussehen kann.

Der moderne Mensch macht ein Selfie. Und wenn es ihm nicht gefällt, macht er noch ein Selfie. Immer wieder, bis er mit dem Bild von sich zufrieden ist. Und das Bild stellt er dann seinen Mitmenschen vor. Die anderen sollen ein gutes Bild von mir haben! Was ich tue, wie ich rede,  was ich nicht sage,  wofür ich arbeite, wohin ich reise,  was ich habe, alles wird dem untergeordnet. Es geht um mich. „Amerika first“ hat Donald Trump gesagt. „Norbert first!“  Ist da das, wofür und wie ich lebe?

Ich glaube tatsächlich, die Liebe ist kein Nebenthema, es ist das Größte, sie würde die Menschen und die Menschheit verändern, sie ist das, was Gott bei uns wachsen und durch uns wirken will. Ohne Liebe ist alles nichts. Wir haben es vorhin in der Lesung von 1. Korinther 13 gehört. Du kannst die wunderbarsten Gaben haben, reden, singen, prophetisch reden, sogar dein Leben für andere lassen, schreibt Paulus: Ohne Liebe ist alles nichts! Ohne Liebe bist du bei dir, aber nicht bei Gott und nicht bei deinen Nächsten in der Gemeinde, im Beruf, in deiner Verwandtschaft. Ohne Liebe ist alles nichts.

Beides müssen wir festhalten: Erstens: Die Liebe ist das Allergrößte und das Allerwichtigste.
Zweitens: Die Liebe wird in vielem erkalten. Die Menschen werden kalt, ichbezogen, sie selbst sind ihr Gott, sie leben für sich selbst. Und es wird kalt in der Welt und in der Christenheit.

Geliebt zu sein bedeutet, den anderen mit zu lieben. Die Liebe beginnt bei Gott. Sie kommt vom Himmel. Und zuerst steht man staunend davor, dass Gott mich liebt. Man könnte denken, Gott hat sich geirrt. Das muss ein Versehen sein. Wie kann er mich lieben. Ich bin es echt nicht wert. Gott muss sich getäuscht haben. Menschen kann ich vielleicht etwas vormachen. Ihnen zeige ich mein Selfie. „Seht nur, was ich für ein Guter bin!“ Gott kann ich nichts vormachen. Er sieht doch alles, er weiß alles, er sieht mein Herz.

Gott liebt uns nicht, weil wir liebenswert wären, sondern weil er die Liebe ist.  Wir sind nicht so wertvoll, dass er uns liebt, sondern wir sind wertvoll, weil er uns liebt. Und wenn wir das begreifen, dann sehen wir plötzlich den anderen Menschen, den da und den da und den da. Den Nachbarn über den wir uns aufregen können. Den Kollegen, der uns das Leben schwer macht, den Chef, der sich null für mich interessiert, den Bruder oder die Schwester aus der Gemeinde, mit denen wir unsere Mühe haben. Und wir erkennen: Die oder den und den und den und den liebt Gott genauso wie er mich liebt.

Den mir so fremden Menschen, den oder die, die so anders lebt, anders handelt als ich es je tun würde, den liebt er genauso wie mich. Von Gott geliebt zu sein, seine Liebe immer mehr zu begreifen, das ist der Anfang, Liebe leben zu lernen. Wer geliebt wird, liebt auch den anderen. Anders kann Gott es sich nicht vorstellen.

Liebe ist ein Beziehungsgeschehen. Liebe lernt man nur in Beziehungen. In der Liebe von Gott, in der Liebe zu Gott, in der Liebe zwischen Menschen. Es gibt keinen anderen Weg, Liebe zu lernen. Es gibt keine abstrakte, philosophische, ideale Liebe, die man bedenken und studieren kann und  so Liebe lernen könnte. Liebe kann man nicht auf einer einsamen Insel lernen. Sich zurückziehen, Bücher lesen, alle anderen Menschen weit weglassen. Liebe wächst einzig und allein in Beziehungen.

Die Jahreslosung ist nichts für Perfektionisten. Wer meint, die Liebe müsse vollkommen sein, sonst sei es keine Liebe, der wird schnell aufgeben, der wird nichts dazu lernen. Wer sagt, er könne lieben, er könne auch nur einen Menschen so lieben, wie Gott ihn liebt, der ist ein Phantast, ein Lügner, der hat sich selbst noch nicht erkannt. Wir haben nicht die Lösung, wir sind ein Teil des Problems. Da ist so viel, so viel anderes in unserem Herzen als Liebe. Da ist  Stolz, Feigheit, Dummheit, Geiz, Begehren, da gibt es Ängste, mein Gesicht zu verlieren oder dass die Liebe mich mein Geld und meine Zeit kosten könnte.

Sind wir doch ehrlich!  Wie weit ist unser Herz davon weg, dass Gott der Herr ist, er allein in unserem Leben, dass wir ihn mit allem lieben und unseren Nächsten wir uns selbst. Keiner von uns ist schon am Ziel. Aber wir sind in einem Umwandlungsprozess, einer Transformation unseres Herzens.  Bei Gott lernen wir frei zu sein für die Liebe. Bei jedem Menschen können wir anfangen, ihn zu lieben. Nie wollkommen, aber von Herzen, mit einem inneren Antrieb, der von Gott kommt.

Ich glaube wir leben in einer Zeit eines unglaublichen Egoismus und Individualismus. Jeder ist sich selbst sein Nächster. Die Jahreslosung ist eine Zumutung in dieser ichbezogenen Welt. Und sie öffnet eine wunderbare große Perspektive.

Man könnte sie auch übersetzen: Alles was ihr tut geschehe in der Perspektive Miteinander und Füreinander. Wer liebt, wer lieben lernt, entdeckt sich als Teil einer Gemeinschaft. Sie oder er ist nie nur einfach für sich. Wir sind Teil einer Nachbarschaft, Teil eines Hauskreises, Teil der Gemeinde, Teil der Gesellschaft, wir sind Menschen in dieser Welt. Niemand ist nur für sich.

Steffen Kahl, Pastor der Kreuzgemeinde in Bremen, erzählt in seiner Predigt von den aktuellen Überschwemmungen. Im Norden von Bremen mussten hunderte ihre Häuser verlassen. Auch in Verden an der Aller stehen Häuser unter Wasser. Steffen Kahl erzählt davon, wie ein Ortsvorsteher durch das Radio und durch Instagramm und andere Onlinekommunikationswege gemeldet hat:  Wir brauchen in 30 Minuten 300 Helfer, die Sandsäcke füllen und helfen, sie zum Deich zu bringen. Und 30 Minuten später waren über 300 Helfer da.

Da hat das Motto Miteinander und Füreinander funktioniert. Da haben hunderte allein an diesem Ort nicht gefragt „Was bringt mir das? Was habe ich davon?“ sondern „Was haben wir davon? Was kann ich bringen, was kann ich beitragen.

Was das wohl im kommenden Jahr verändern würde, wenn wir bei dem, was wir planen zu tun oder nicht zu tun nach diesem Motto handeln würden: Tut alles was ihr tut in der Perspektive Miteinander und Füreinander. Dann überlegen wir, wenn wir überlegen, ob wir irgendwohin gehen, was es den anderen bringt, was es für die Gemeinschaft, für das Miteinander bedeutet, ob ich dahin gehe oder nicht. Dann überlegen wir nicht zuerst, was es mich kostet, sondern was dem Miteinander und Füreinander in dem ich lebe entspricht.

Die Liebe kommt von Gott. Die Liebe kommt vom Himmel. Gottes Liebe will und verändern. Wir werden ein Teil seiner Liebe, von seiner Liebe mitgerissen. Und Gottes Liebe bricht sich durch uns in diese Welt hinein. Weil seine Liebe durch uns hindurchscheint, gibt es Farben, bunte Flecke, Hoffnung in dieser Welt. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ das ist eine Hammer-Losung für 2024. Geliebte Welt, mach dich auf etwas gefasst!

Amen.

Ich habe für diese Predigt viel übernommen von einer Predigt von Steffen Kahl,
YouTube, Kreuzgemeinde Bremen, vom 31.12.2023

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