5 Mose 8, 7-18 An Gott denken und danken

Erntedank 25.09.2022

Liebe Gemeinde,

Eine Rede von Mose ist der Predigttext zum Erntedankgottesdienst. Das Volk Israel steht nach sehr langer Wüstenwanderung vor dem guten Land, das Gott ihnen versprochen hat, in das Gott sie durch die Wüste geführt hat. Noch sind sie nicht angekommen, dann aber werden sie keinen Hunger mehr haben, sondern satt werden, dann sollen sie keinen Durst mehr haben, sondern Wasser die Fülle,  dann werden sie nicht mehr immer wieder aufbrechen müssen, sie werden ein Zuhause haben, sie werden in festen Häusern wohnen. Mose sagt, was das Volk erwartet, und was sie nie vergessen sollen. Ich lese 5. Mose 8, 7-18:

7 Denn der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land, darin Bäche und Quellen sind und Wasser in der Tiefe, die aus den Bergen und in den Auen fließen, 8 ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt, 9 ein Land, wo du Brot genug zu essen hast, wo dir nichts mangelt, ein Land, in dessen Steinen Eisen ist, wo du Kupfererz aus den Bergen haust. 10 Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den Herrn, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat. 11 So hüte dich nun davor, den Herrn, deinen Gott, zu vergessen, sodass du seine Gebote und seine Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, nicht hältst.
12 Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst 13 und deine Rinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehrt, 14 dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den Herrn, deinen Gott, vergisst, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Knechtschaft, 15 und dich geleitet hat durch die große und furchtbare Wüste, wo feurige Schlangen und Skorpione und lauter Dürre und kein Wasser war, und ließ dir Wasser aus dem harten Felsen hervorgehen 16 und speiste dich mit Manna in der Wüste, von dem deine Väter nichts gewusst haben, auf dass er dich demütigte und versuchte, damit er dir hernach wohltäte.
17 Du könntest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtum gewonnen. 18 Sondern gedenke an den Herrn, deinen Gott; denn er ist’s, der dir Kräfte gibt, Reichtum zu gewinnen, auf dass er hielte seinen Bund, den er deinen Vätern geschworen hat, so wie es heute ist.
(5. Mose 8,7-18)

Noch ist das Volk in Wüste. Überall den feinen Sand. In den Kleidern, in den Haaren, in den Ohren, vielleicht sogar zwischen den Zähnen. Sie waren nicht ohne Gott. Gott hat sie wunderbar ernährt, hat Wachteln und Himmelbrot, Manna, vom Himmel regnen lassen. Aus harten Steinen hat er Wasser für sie quellen lassen! Sie sind nicht verdurstet! Aber es war eine lange Wüstenzeit.

„Wenn es euch bald gut geht, dann vergesst Gott nicht, vergesst nicht Gott zu danken.“ Das ist die Botschaft von Mose.  Ihr werdet fruchtbaren Boden vorfinden. Alles wird gut wachsen. Ihr werdet Bodenschätze finden. Eisen und Kupfer. Eure Rinder und Schafe werden immer mehr werden. Auch euer Gold und Silber wird immer mehr werden. Es wird euch an nichts mangeln. Ihr werdet im Wohlstand leben. Wenn ihr dann satt seid, dann vergesst Gott nicht.

Lobt Gott für alles, was er euch schenken wird. Hütet euch davor, euren Herrn zu vergessen. Hütet euch davor, dass sich euer Herz erhebt, dass ihr stolz werdet, dass ihr es euch selbst anrechnet, wenn es euch gut geht. Hütet euch davor, dann zu denken, es hätte an eurer Kraft, an eurem Fleiß, an eurer Klugheit gelegen. Es ist Gott, der Herr, der euch beschenken wird. Weil er sein Versprechen, weil er seinen Bund einhält.

Wir heute hier sind nicht Israel, aber wir leben auch in einem Wohlstand, den wir nicht verdient haben. Wir alle zusammen, die in Deutschland leben, aber auch wir als Einzelne. Wir sind nicht auf der Flucht. Wir haben, was wir zum Leben brauchen. Wir leben in einem Sozialsystem und Gesundheitssystem, in einem Wohlstand, für den uns Millionen andere auf der Welt beneiden. Und Gott hat mein und dein Leben ganz persönlich gesegnet. Wir könnten auch wie Mose vieles aufzählen, was Gott uns geschenkt hat.

Wenn wir Mangel haben, dann beten wir. Aber was tun wir, wenn es uns gut geht, wenn so vieles in unserem Leben gut geht? Ich erinnere mich an ein altes Ehepaar. Ich war im Zivildienst in Emden. Ich war zum Essen eingeladen. Sie saßen auf einem Sofa in ihrem bescheidenen Wohnzimmer. Nebeneinander. Er strahlte, als würde er in einem Palast sitzen, und sagte: „Wir sind Gott so dankbar, dass wir dies alles haben!“ Er war nach dem Krieg in Gefangenschaft. Hunger war sein tägliches Brot. Jahrelang konnten sie beide sich nicht sehen. Da war vielleicht 30 Jahre her damals, aber sie saßen immer noch auf ihrem Sofa und sagten „Wir sind Gott so dankbar!“

Dankbar zu sein ist uns Menschen nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Schnell sehen wir eher, was wir nicht haben oder nicht erleben können. Schnell kritisieren wir und klagen, sehen, was nicht gut läuft. Wir sind nicht Israel, aber was Mose seinem Volk sagt, sagt Gott uns auch heute:  Vergesst Gott nicht, wenn es euch gut geht.

Danken und denken liegen nicht nur sprachlich dicht beieinander. Wer dankt, denkt anders, lernt anders denken. Auch im Englischen sind beide Worte verwandt: Think und thank. Danken ist positives Denken. Danken ist vertrauensvolles Denken. Wer dankbar ist, denkt anders als jemand, der Danken und Demut verlernt hat. „Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch!“ schreibt Paulus (1. Thes 5,18).

Es geht Gott nicht darum, dass wir ab und zu danke sagen. Dankbar zu sein, soll seinem Volk zu einer Lebenshaltung werden. Nicht nur an Tagen, an denen es uns nur gut geht. Solche Tage gibt es nicht viele. Dankbar zu sein heißt, Gott nicht zu vergessen. Dankbare Menschen finden immer etwas zum Staunen!  Sie nehmen es nicht als selbstverständlich hin, dass es ihnen gut geht. Sie werden nicht stolz auf sich selbst und ihre Leistung. Sie loben Gott dafür. Sie wissen: Es könnte auch ganz anders sein! Mein Leben könnte ganz anders aussehen!

Mit dankbaren Menschen zusammen zu sein, das ist angenehmen, wohltuend, ermutigend. Von dankbaren Menschen geht so viel Positives aus. Sie strahlen etwas aus von dem Vertrauen, das sie haben. Sie wissen Gott ganz anders am Wirken als diejenigen, die Gott vergessen haben.

Wer lernt und darin bleibt, Gott zu danken, der erkennt ihn immer mehr, der sieht seine Liebe und Güte an immer mehr Punkten oder Orten seines Lebens. Gott in allem zu erkennen, das war eine Übung, ein Ziel, eine Haltung der Spiritualität vieler Glaubensmütter und Glaubensväter. Gott in allem zu erkennen, in den kleinen Begegnungen des Alltags, in einer gut schmeckenden Frucht, einem mächtigen Baum oder einer zarten Blume.

„Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott!“ So hat es Matthias Claudius gedichtet. Das stimmt für die Ernten damals und heute, das stimmt auch für das, was  wir  in unserem Leben  aussähen  und  ernten. „Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott!“

„Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst, dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt!“ hat Mose gepredigt. „Du könntest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtum gewonnen.“ Was hast du, was du nicht geschenkt bekommen hast? Wo war es nicht, Gottes Gnade, sondern deine Leistung? Was hält dich im Leben, das du dir selbst geschaffen hast?

„Alle guten Gaben,
alles, was wir haben,
kommt, o Gott, von dir.
Wir danken dir dafür!“

Das ist ein schönes Tischgebet. Das kann man bei jeder Mahlzeit beten. Aber auch bei jedem Geschäftsabschluss, bei jeder gelungenen Prüfung, bei jedem Kind, das gesund geboren wird, nach jedem Tag, an dem du gesund geblieben bist. „Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Gott, von dir. Wir danken dir dafür!“ Auch für Menschen können wir danken. Menschen an unsere Seite.  Freunde.  Freundliche Menschen. Menschen, die anderen guttun.  Ich fand einen schönen Text eines Predigers aus Belgien:

Manche Menschen wissen nicht,
wie wichtig es ist, dass sie einfach da sind.
Manche Menschen wissen nicht,
wie gut es tut, sie nur zu sehen.
Manche Menschen wissen nicht,
wie tröstlich ihr gütiges Lächeln wirkt.
Manche Menschen wissen nicht,
wie wohltuend ihre Nähe ist.
Manche Menschen wissen nicht,
dass sie ein Geschenk des Himmels sind.
Sie wüssten es,
würden wir es ihnen sagen.
(Petrus Ceelen, belgischer Geistlicher und Psychotherapeut)

Warum einem Menschen nicht mal sagen: „Merci, dass es dich gibt!“? Wie gut das machen tun würde. Gottes Angesicht leuchtet freundlich über uns. Und Gott gibt großzügig. Gottes Güte hat kein Maß und kein Ende. Er rechnet nicht auf. Er hält uns nicht kurz. Er tut gut. „Merci, dass es dich gibt!“

Jede und jeder von uns geht täglich an Tausend Dingen, an Tausend Zeichen seiner Güte vorbei. Es geht alles so schnell. Da kann man das Danken schnell vergessen. Und dann wir werden nicht erfreut, nicht gestärkt, durch das, was er uns wieder geschenkt hat. Wir erkennen ihn darin nicht.

Kennt ihr die Geschichte vom dankbaren Samariter? In einem Dorf in Galiläa kommen zehn Aussätzige auf Jesus zu. Neben ihrer grausamen Krankheit waren sie auch von Menschen ausgestoßen. Sie waren unrein. Sie durften sich niemandem nähern. Aber sie kommen zu Jesus. Er lässt es zu, dass sie sich ihm nähern. Jesus heilt alle zehn, aber nur einer kommt zu Jesus zurück. Er demütigt sich, geht vor Jesus auf die Knie und dankt ihm. Und dieser war ein Samariter, schreibt Lukas (17,16). Einer, der schon von seiner Herkunft von vielen abgelehnt wurde.

Zehn Menschen, die ein gesundes Kind bekommen, und nur einer dankt Jesus? Zehn Menschen, die Abitur machen, du nur einer Dankt Jesus? Zehn Menschen, die gute Arbeit haben, und nur einer dankt Jesus? Zehn Menschen, die mit über 80 noch gesund und beweglich und selbstständig leben, und nur einer Dankt Jesus? Wie zeigt sich unsere Dankbarkeit? In Worten, in Gebeten, in Liedern, in Demut, es könnte ja auch ganz anders sein, darin, dass wir Gott vertrauen, und im Teilen. „Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen. An solchen Opfern hat Gott Freude,“ lesen wir im Hebräerbrief. (13,16)

Martin Luther habe ich neulich schon einmal mit dem Satz zitiert „Wer an seinem Nächsten vorbeigeht, der geht an Gott vorbei!“ Das neue Land ist ein gutes Land, wenn wir teilen, was Gott uns geschenkt hat.  Gott nicht vergessen heißt auch, die Menschen nicht zu vergessen, die wenig haben,  die hungern, die auf der Flucht sind, bei denen es nicht so gut läuft in ihrem Leben.

Kann man Dankbarkeit lernen? Ja! Man muss es wollen, man muss es üben, es ist uns nicht in die Wiege gelegt. Wer klagen will, findet immer etwas. Es ist nicht in erster Linie eine Frage unserer Mentalität, ob wir dankbare Leute sind oder nicht. Es ist eher eine Frage, ob ich mich verändern, ob ich mich umprägen lassen will. Die neuen Menschen Gottes sind dankbare Menschen.

Viellicht habt ihr schon einmal von dem Gebet der Aufmerksamkeit gehört. Es geht auf Ignatius von Loyola zurück, dem Gründer des Jesuitenordens. Man solle jeden Tag mit einem „Gebet liebender Aufmerksamkeit“ abschließen. So hat er es genannt. Die Idee ist einfach. Man sieht betend in den Tag zurück und dankt Gott. Was habe ich heute Schönes erlebt? Wo ist mir Gutes widerfahren und was hat mich gefreut? Was ist mir heute gelungen? Was war schön? Was tat gut? Die Idee ist einfach. Die Wirkung ist groß. Denn schon mitten am Tag sieht man und erlebt man vieles plötzlich dankbar. Man weiß schon:  Dafür werde ich Gott heute Abend danken!  Man geht mit einem anderen Blick durch den Tag.

Ich staune hin und wieder, wenn Predigerinnen oder Prediger von sich erzählen. In einer Predigt fand ich den Bericht eines Pfarrers, der mit Angstzuständen zu tun hatte. Er beginnt ein Danktagebuch zu schreiben. Jeden Tag scheibt er nur hinein, wofür er danken kann. Und dann schreibt er:

Nach einem halben Jahr verschwanden die Ängste. Dankbarkeit ist eine innere Entscheidung. Bewusst entscheide ich mich, mir selbst Mut zu machen und mich wieder neu auf das Gute im Leben zu besinnen. Ich übe, dankbar zu sein und damit meinen inneren Fokus wieder auf Gott zu lenken – auch wenn ich mich gar nicht danach fühle. (…) Ich habe verstanden, dass die Dankbarkeit mein Schlüssel zum Glück ist. Wenn ich dankbar bin, dann bin ich glücklich.

Ich schließe mit einem weiteren Zitat. Zwei Sätze von Francis Bacon, eines englischen Philosophen, gestorben 1626: „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind!“  Amen

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