Gehorsam positiv – geht das?

Auch von mir einen wunderschönen guten Morgen! In dieser Gemeinde bin ich zwar für die Jugendgruppe zuständig, aber wie einige bereits wissen komme ich ursprünglich aus der Arbeit mit Kindern und liebe es deswegen Dinge auf eine spielerische Weise zu erlernen und glaube auch, dass Erwachsene sich so Sachen besser behalten können. Mit so großen Gruppen wie unserer ist Pantomime da eine gute Methode, für die es aber leider selten Freiwillige gibt. Deswegen werde ich heute diese Freiwillige sein und ihr müsst raten. Zu aller erst machen wir eine Proberunde (ich mache erst Müdigkeit vor und dann als Hauptwörter Leid in Form von Angst und Trauer und zuletzt Gehorsam). Leid und Gehorsam sind schwierige Begriffe. Die sagt man mal nicht so eben wie Sonne oder Baum, sondern da steht mehr dahinter und auch viel Unschönes. Wir werden heute einen Abschnitt aus der Bibel lesen, in dem es Jesus auch nicht gut geht. Ich lese Lukas 22, 39 – 45. Wir lesen hier von einem sehr menschlichen Jesus. Ihr kennt vermutlich die These: Jesus – ganz Mensch und ganz Gott. Er ist sozusagen beides zugleich. Und hier wird vor allem seine menschliche Seite sehr deutlich:

1. Er hat furchtbare Angst vor dem was passiert.

2. Er bittet in einer schwierigen Situation bei Gott, seinem Vater, um Hilfe.

3. Er ist ein Gewohnheitstier. So wie man das von uns Menschen auch sagt. Er geht an einen Platz an dem er schon öfter war.

4 . Jesus braucht Ruhe, sogar von seinen engsten Freunden. Ich denke, dass ist auch etwas, was wir alle gut nachvollziehen können. Und zu guter Letzt und ultimativ menschlich: Er schwitzt ordentlich, so sehr, dass es tropft. Also alles Dinge, die wir als Menschen gut kennen. Aber um was bittet er Gott eigentlich da? Welchen Kelch will er nicht haben? Das ist ein Bild für die kommenden Ereignisse: Er bittet darum, nicht an das Kreuz gehen zu müssen und er bittet darum nicht all die folgenden Demütigungen aushalten zu müssen. Unser Abschnitt aus der Bibel für heute erklärt uns nicht, warum Jesus in der folgenden Geschichte so leiden muss, dass er davor jetzt so eine krasse Angst hat. Es gibt hier keine Stimme vom Himmel die alles aufrollt und erklärt oder Argumente bringt. Die ganze Kreuzes-Geschichte macht erst im Nachhinein Sinn, erst wenn man sie von der Auferstehung ausgehend betrachtet. Aber mir geht es jetzt nicht darum die ganze Story zu spoilern. Tatsache ist: Jesus geht es hier nicht gut – es geht ihm als Mensch nicht gut. Aber er frisst es nicht in sich rein, er versucht es auch nicht zu verstecken, sondern er kommt mit seinem Leid zu Gott, mit seinen Ängsten und auch mit seinen Fragen. Er wendet sich nicht von Gott ab, obwohl der das Leid nicht von ihm nimmt und wie wir es aus der nachfolgenden Geschichte kennen auch noch von ihm nehmen wird. Er befreit ihn nicht aus seiner Angst. Aber er lässt ihn auch nicht alleine. Es kommt eine Engel, der nicht groß beschrieben wird, weil nicht er selbst, sondern seine Funktion das Wichtige ist: Er stärkt Jesus. Jesus muss nicht alleine sein. An diesem Punkt der Geschichte musste ich an meine Tante denken. Vor nun schon zwei Jahren
ist sehr plötzlich ihr Mann gestorben, mein Onkel, der jüngere Bruder meines Vaters. Er hat eine kranke Frau und zwei Kinder zurückgelassen. Zudem war sein Tod sehr unverständlich, weil die Ursache an der er gestorben war eigentlich medizinisch ausreichend behoben war und es sich bei der ganzen Angelegenheit eher um einen Routineeingriff gehandelt hat. Unweigerlich kam da auch die Frage auf wie meine Tante diese ganze Sache mit ihrem Gottesbild vereinbart und wie sie jetzt mit Gott umgeht. Darauf hat sie gesagt, dass Gott immer ihr Begleiter war und dass sie nicht wüsste, warum sie jetzt mit ihrem Schmerz nicht auch zu Gott gehen sollte. Sie hat Gott als den verstanden, der mit ihr durch das Leid geht, der dabei ist, der sie nicht alleine lässt.

Nun saß Jesus da nicht nur als angstvoller Mensch, sonder auch als Gott, der dem Leiden und der Angst nicht fern bleibt, sondern alles mitnimmt, alles erfährt, was es so zu erleben gibt. Er sitzt nicht abgeschottet und abgestumpft auf einer Wolke und betrachtet uns Menschen mit all unseren Ängsten und auch allem Leid aus der Ferne. Nein. Er weiß wovon wir reden, wenn wir ihm von unseren Ängsten und Sorgen erzählen. Er hat eine Eigenschaft, die paradox erscheint zu seiner Göttlichkeit: Menschlichkeit. Damit meine ich nicht die schönen Seiten am Mensch-Sein, sondern Trauer, Angst und das Gefühl allein zu sein. All diese Dinge und was dir noch einfällt: Du bist nicht alleine damit. Du bist gesehen. Du darfst ihm ehrlich sagen wie es dir geht und du darfst auf seine Begleitung zählen wie auch immer diese aussieht. Jetzt wollen wir noch einen Blick darauf werfen wie Jesus sich an Gott wendet. Die Bitte haben wir schon genauer angeguckt: Der Kelch, der vorüber gehen soll, die Sache mit dem Kreuz und den Demütigungen. Aber er sagt ja noch mehr: Dein Wille geschehe – nicht meiner. Ein starker Satz. Er hat viel zu tun mit dem Wort, das ihr vorhin nur schwer erraten habt/ was ihr nicht erraten habt/ überraschend schnell erraten habt, denn es ist ein seltenes und ich würde behaupten unbeliebtes Wort: Gehorsam. Jesus ist Gottes Willen gegenüber gehorsam. Ich habe das Wort mal nachgeschlagen, weil es für mich eher negativ assoziiert ist und mich an das Bild des treuen, deutschen Hundes und an zu viel Gehorsam im Dritten Reich gegenüber der falschen Obrigkeit erinnert. Liest man einen objektiven Artikel darüber, geht es um Gehorsam als Unterlassen von etwas Verbotenem, wie zum Beispiel zum Bachelor zu gehen, um die wahre Liebe zu finden. Das ist zwar nicht direkt verboten, sollte es aber sein. Gehorsam ist aber nicht nur das Unterlassen, sondern auch das Einhalten von einem vorgegebenen Willen oder Gesetzen. Wie zum Beispiel das Einhalten der
Corona-Regelungen im Moment. Wir haben alle ziemlich Glück, dass wir nicht auf die selbe Art wie Jesus Gehorsam sein müssen. Ich hatte mal in der JaM, unserer Jugendgruppe hier in der Gemeinde, nachgefragt, ob es schon einmal eine Situation gab, wo Gott etwas von ihnen wollte, was sie selbst nicht wollten. Da hatte keiner eine Erfahrung zu berichten. Es kam vor allem der Einwand, dass es schwierig ist überhaupt auszumachen, was Gott möchte. Dass stimmt wohl auf der einen Seite, denn so eine konkrete Anweisung mit einer mächtigen Stimme hört nicht jeder täglich zumindest ich nicht und die JaMer augenscheinlich auch nicht. Auf der anderen Seite stehen in der Bibel eine Menge Sachen, die Gott toll findet, wenn wir sie machen. Das sind oft so Angelegenheiten, die super klingen, die wir auch gut finden, die aber nicht schnell zu erledigen sind, sondern langfristiger Aufmerksamkeit bedürfen. Wie zum Beispiel Feindesliebe oder überhaupt Nächstenliebe. Eine Liebe, die einen sich selbst nicht vergessen lässt, aber den Egoismus begräbt. Und eben diese Nächstenliebe, die jedem Nächsten gilt und nicht nur denen, die in unser Bild von „liebenswert“ passen. Außenseiter einbeziehen, unsere Finanzen teilen, bereitwillig vergeben.

Da ist so viel was Gott uns schon gesagt hat und das bringt uns zu einem wichtigen Punkt von Gehorsam. Nicht jeder hat es verdient ihm gehorsam zu sein. Gehorsam kann grausame Folgen haben, wenn er dem Falschen gezollt wird und wenn er eigenes Denken verhindert und löscht. Aber Jesus ist Gott gegenüber gehorsam, weil er ihn seinen Vater nennt. Da ist Vertrauen. Weil er weiß, dass Gott gut ist. Er kennt ihn ja. Er weiß um dessen Absichten und auch um dessen Weitsicht. Er hat eine Beziehung zu Gott. Das ist für uns auch möglich: Gott durch die Bibel und Christen oder/ und durch das Gebet kennenzulernen. Aber ihn auch kennenzulernen, dadurch dass du tust. Dass du dich auf den Weg machst und Gott im Tun kennenlernst und die oben genannten Prinzipien in deinem Leben anwendest. Auch so kannst du Gott kennenlernen. Ich verstehe viele Dinge von Gott erst in Extremsituationen. Ich habe zwei Jahre in Rumänien gelebt und dort mit Roma-Kindern und Jugendlichen gearbeitet. In dieser Arbeit hat Gott mir so vieles über sich gezeigt, weil ich einfach getan habe und er mich da irgendwie immer begleitet, unterstützt, geleitet und befähigt hat zu Dingen, die ich eigentlich gar nicht kann.

Es geht also um ein vertrauensvolles Hören auf das, was Gott uns sagt und um einen Gehorsam, der Gutes nicht beliebig macht. Güte und Barmherzigkeit kann gut nach Gefühl und Gegenüber eingesetzt werden. Wer wäre seinem Freund oder Kind gegenüber nicht gerne freundlich, gütig und vergebend? Geben sie einem doch auch viel zurück. Gehorsam sind wir da zwar auch, aber Gehorsam macht dann auch nicht Halt davor, die gleichen Prinzipien wie Nächstenliebe auch auf den Typen anzuwenden, der mein Auto angefahren hat oder auf den jungen Mann mit den
zerrissenen Hosen, den grünen Haaren und Piercings. Ihr merkt Nächstenliebe bedarf einer konkreten Füllung, jeder hat es an unterschiedlichen Stellen schwerer, sie wirklich zu leben. Jedem fallen andere Typen von Mensch schwerer. Und da schaltet sich unser Gehirn hinzu. Es geht hier nicht um einfach stumpfen Gehorsam, sondern um ein genaues Hinsehen und Überlegen wo Gottes Prinzipien für dich und mich ganz genau angewendet werden sollen.

Zusammengefasst heißt das also: Gehorsam gegenüber Gott bedeutet Vertrauen zu ihm aufzubauen und sich anzugucken was er gut findet. Diese Dinge ernst nehmen und anwenden, wie zum Beispiel Nächstenliebe, und sie auch nicht vergessen, wenn es mal schwieriger wird. Gehorsam schützt davor, beliebig zu werden in der Nächstenliebe.

An diesem Punkt ist es ganz wichtig zu sagen, dass es hierbei nicht darum geht, sich etwas zu verdienen: Weder Gottes Gnade noch Ansehen vor den Menschen. Es geht hier vielmehr um das Glauben daran, dass Gott es gut mit dir meint, und das Ausprobieren und Umsetzen, der Gehorsam-Teil, seiner Prinzipien für dein Leben. Und das kann am Anfang auch wirklich nur ein Ausprobieren sein. Die meisten Jünger haben das auch erst einmal ausprobiert und sind Jesus hinterher und haben es auf ihrem Weg mit ihm erkannt, wer er wirklich ist. Eben nicht nur ein Lehrer, ein netter Guru, sondern voller Liebe für sie und ihre Mitmenschen. Und so kam es dann zu etwas sehr Schönem: Gottes Liebe in Jesus wurde von den Jüngern erwidert. Vielleicht glaubst du aber auch schon bereits an die Liebe Gottes und an Gott selbst, aber bist müde geworden das was ihm am Herzen liegt auch an dein Herz zu lassen. Dann will ich dich heute ermutigen wieder wach zu werden und dich in der Welt umzugucken und zu sehen wo du Nächstenliebe ganz praktisch und herausfordernd leben kannst. Passend dazu habe ich noch die letzte Pantomime für euch (ich mach mit den Armen ein Herz und hoffe keine Schweißflecken unter den Achseln zu haben: Begriff Liebe).

Das ist unser JaM-Herz, das kennen viele von euch auch schon. Ein Herz ist das Zeichen für Liebe und das ist die große Motivation Gottes: Liebe. Dabei kommt man ständig wieder raus und das begeistert mich so an ihm. Er geht mit uns auch durch die schwierigen Zeiten und fordert uns aber auch heraus seinen Willen ernst zu nehmen, eben gerade weil er es gut mit dir und mit mir meint. Amen.

 

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