Lebt die Einheit, in die Gott euch gestellt hat

Herzlich willkommen zu unserer  Andacht am Sonntag.

Einen bunteren und längeren Gottesdienst bereiten wir wieder für den 28.6. vor, also in einer Woche. Heute also wieder eine kürzere Version. Das Thema heute aber ist wichtig. Es ist ein Grundthema für alle Christen. Das wissen aber nicht alle!

Es gibt manches im Leben, indem man sich vorfindet. Das können sehr schöne, gute Lebensbedingungen sein, oder auch schwere. Das ist dann so. Daran kann man nichts ändern. Und man muss dann das Beste daraus machen! Um es ganz deutlich zu machen, nehme ich ein Beispiel aus der Tierwelt:

Ein Hühnerküken. Es sitzt noch im Hühnerei. Aus diesem Küken wird ein Huhn. Kein Adler, dass es fliegen könnte, aber auch kein Wurm, der unter der Erde lebt. Das Huhn muss das Beste daraus machen, Huhn zu sein. – Ein Fisch wird immer ein Fisch bleiben. Er wird nie fliegen. Der Fisch muss das Beste daraus machen. Sein Lebensraum ist ihm vorgegeben. Er ist sozusagen „berufen“, Fisch zu sein. – Ein im reichen sicheren Deutschland geborenes Baby von Eltern die ihr Kind lieben, hat gute Startbedingungen für sein Leben. Das Kind findet sich darin vor. Es hat nichts dazu getan. Und jetzt kann und soll es das Beste daraus machen.

Auch als Christen finden wir uns in etwas vor. Das haben wir uns nicht ausgesucht. Das kommt von Gott. Das ist der Lebensraum, in dem wir leben sollen. Wie das Huhn auf dem Hof oder der Fisch im Wasser. Christen sind berufen in der Einheit zu leben, in der sie durch Gott verbunden sind. Vater, Sohn und Heiliger Geist haben uns eins gemacht. Das ist unsere Berufung! Da sollen wir Christen das Beste draus machen. Das sollen wir füllen, leben, gestalten.  Ich lese aus dem Epheserbrief 4, 1-6:

1 So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, 2 in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe 3 und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: 4 ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; 5 ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; 6 ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen

Der Epheserbrief war ein Rundbrief an Gemeinden in der heutigen Türkei. Und Paulus ermahnt die Gemeinden. Man kann auch ermutigen übersetzen oder auffordern oder mit allem Ernst erinnern: „Ich ermahne euch, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid!“

Ich, der Gefangene in dem Herrn!“ Paulus war im Gefängnis als er diesen Brief schrieb. Das ist der vordergründige Sinn seiner Selbstbezeichnung: „Der Gefangene in dem Herrn“. Es steht aber eine geistliche Aussage dahinter. „Ich Gefangener in dem Herrn“, das heißt: An ihn gebunden lebe ich. In ihm gründet sich mein Auftrag und meine Vollmacht. Mit ihm gehe ich auch ins Gefängnis. An ihn gebunden, von ihm beauftragt, in seiner Vollmacht sage ich auch, was ich euch jetzt zu sagen habe. Ich muss es euch so deutlich sagen, weil ich an ihn gebunden bin: „Dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid,  in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe   und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens.“

Die Berufung aller Christen hätten wir vielleicht anders definiert: Alle Christen sind berufen,   ihren Herrn in dieser Welt zu bekennen, Gottes Liebe in diese Welt zu tragen, Vater, Sohn und Heiligen Geist anzubeten. Ja. Das ist alles so gut, so richtig. Das sollen wir tun. Aber zuerst einmal sollen wir etwas Neues sein: Kinder Gottes. Von seiner Gnade leben. Uns an ihm freuen. Verbunden sein mit ihm und so auch mit allen anderen Christen! Eins sein mit ihnen, ein Teil sein in der großen Familie Gottes. Gott sieht und sucht jeden einzelnen, aber er stellt ihn in ein Volk.

Diese Einheit im Geist sollen wir bewahren. Sie ist uns vorgegeben. Und man kann sie nur bewahren, indem man sie lebt! Liebe, Demut, Güte und Geduld kann man nicht bewahren, indem man sie auf einem Dokument festhält oder in einem sicheren Safe verschließt. Liebe und Einheit kann man nur bewahren, in dem man sie lebt. Und dazu ist Treue notwendig, immer wieder neue Phantasie, neue Wege. Liebe und Einheit sind nichts Statisches, sondern etwas sehr Bewegliches, Lebendiges, auch Verletzliches. Das meint Paulus mit Bewahren. „Fallt nicht aus der Einheit, leugnet sie nie, füllt sie, erfüllt sie, lebt sie immer wieder neu.“

Es hat seinen Sinn, dass Christen sich mit Schwester und Bruder anreden, nicht mit Freund oder Kollege. Freunde kann man sich aussuchen, Geschwister nicht. Sie haben die gleiche Mutter und den gleichen Vater. Das macht sie zu Geschwistern. Sie bleiben immer, ihr Leben lang, Schwester und Bruder. Egal, ob sie im Leben die gleichen Wege gehen, ob sie sich streiten oder gut vertragen, selbst wenn der eine von dem anderen nichts mehr wissen will:  Sie bleiben Schwester und Bruder.

Wie sehr können Kinder ihren Eltern wehtun, wenn sie von Vater oder Mutter nichts mehr hören wollen, oder wenn ein Kind alle anderen Kinder ablehnt, die die Eltern doch genau so lieben. Gott ist ein Gott der Einheit und er will, dass seine Kinder eins sind. Wie dringlich hat Jesus gebetet   nach seinen Abschiedsreden im Johannesevangelium Kapitel 17:

„Vater, ich bitte sie und nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast: Erhalte sie in deinem Namen, dass sie eins seien so wie wir eins sind. (…) Ich bitte aber nicht nur für sie allein,  sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, dass sie alle eins seien, so wie du Vater in mir und ich in dir bin, dass auch sie in uns seien, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ (Joh 17, 11.20f)

Wie kann man seinen Herrn das beten hören und so gleichgültig der Einheit der Christen gegenüber stehen. Das ist wie eine Seuche unter den Christen, wie eine Pandemie, wie eine  ansteckende Blindheit, dass es immer noch so viele Christen auf dieser Erde gibt, die nur mit denen eins sein wollen, die genau so denken wie sie, die das gleiche wie sie erkannt haben, die genauso wie sie Gottesdienst feiern oder Gemeinde bauen oder Amt und Sakrament verstehen. Diese Sucht, andere zu verurteilen, sich über andere zu erheben, sich selbst für die treueren Jünger Jesu zu halten, diese Krankheit von Christen,  sich zu trennen von denen, die anders denken,  sie kommt nicht von Gott, sie hat nichts zu tun mit dem Gebet Jesu um Einheit.

„Ich bete nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast, die an mich glauben!“ betet Jesus. Noch heute betet er so und steht vor seinem Vater. Die Einheit der Christen folgt aus der Einheit von Vater und Sohn.

Mit einem „Band des Friedens“ beschreibt Paulus, was die Einheit vorgibt. Dieses Band ist eine siebenfache Schnur: „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ Das ist das Einmaleins oder das Siebenmaleins der Einheit. Eine siebenfache Schnur. Die zerreißt nicht. Die hält alles aus.

Wir Christen, also ich und andere, wir reden manchmal von dem unsichtbaren Leib Christi,   der durch alle Kirchen und Gemeinden hindurch geht. Der unsichtbarer eine Körper von Christus, der aus allen besteht, die an Jesus glauben und ihm gehören. Aber dieser Leib will sichtbar werden. Er will gelebt werden. Er soll ein Zeugnis in dieser Welt sein. Gott will keine theoretische, unsichtbare Einheit seiner Kinder.

Menschen, mit denen ich Weihnachten, Karfreitag, Ostern und Pfingsten feiern kann, das  sind meine Schwestern und Brüder. Wer glaubt, dass Jesus von Gott gekommen ist, dass er Gottes Sohn ist, (das ist Weihnachten), wer glaubt, dass er für unsere Schuld gestorben ist, (das ist Karfreitag), dass Gott seine Liebe und Gnade in Jesus anbietet und der es angenommen hat, wer glaubt, dass Jesus auferstanden ist und lebt, zur Rechten Gottes sitzt,  dass er der Herr ist, der alle Macht hat (das ist Ostern und Himmelfahrt), wer glaubt, dass Gott uns den Glauben und die Gotteskindschaft durch seinen Heiligen Geist geschenkt hat, (das ist Pfingsten), wer damit rechnet, dass Gott durch seinen Geist gegenwärtig ist und uns heute dienen und leiten will, uns heute anspricht und verändern will, die ist meine Schwester oder der ist mein Bruder. So verschieden wir auch sind. Vater, Sohn und Heiliger Geist machen uns seins.

Ich war einmal Zeuge, wie sich zwei Schwestern nach über 40 Jahren wiedergesehen haben. Die eine hatte in Canada gelebt, eine Freundin meiner Eltern, die andere in Sibirien. Die eine geschminkt, Ohrringe, Kette, auffällige Brille, schlank, sportlich für ihr Alter; schicken Hosenanzug: eine Lady. Die andere etwas gekrümmt, eine Omi, viele Falten im Gesicht, ein wenig rundlich, einfaches Kleid, dicke Schuhe, vielleicht sogar ein Kopftuch auf, ich weiß es nicht mehr. Total verschieden! Aber Schwestern! Die sich wieder gefunden haben!

Einheit heißt nicht Einheitsbrei. Wir sind verschieden. Im Denken und Fühlen. In der geistlichen Biographie, in der persönlichen Geschichte und der Geschichte der Kirche, zu der man gehört. Verschiedene Christen haben verschiedenes Wichtiges erkannt und sie sind an verschiedenen Stellen blind. Es gehört Mut dazu, der Wille und Gehorsam, die Einheit zu leben. Paulus schreibt von einem dreifachen Mut: „So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld.“ Geduld kann man auch mit Langmut übersetzen. DeMUT, SanftMUT und LangMUT sind nötig, um die Einheit zu bewahren.

Demut bedeutet Lernbereitschaft, zu wissen, dass man selbst nicht alles erkannt hat und nicht alles lebt, was Jesus wichtig ist. Demut bedeutet zuhören, den anderen achten, seine eigene Überzeugung sagen, dafür argumentieren, aber den anderen nicht zu verurteilen, wo er anders denkt.

Sanftmut ist etwas Starkes. Nicht zornig zu werden. Eine andere Meinung nicht als Angriff zu werten. Die richtigen Worte finden, die auch den anderen nicht verletzen. Eine Ruhe zu bewahren, die aus dem Vertrauen Gott gegenüber kommt und aus echter Liebe und Respekt dem anderen gegenüber. Geduld ist Langmut. Lange mutig bleiben. Lange Kraft haben. Über lange Zeit investieren. Nicht aufgeben. Das Ziel dabei nicht aus den Augen zu verlieren.

Alles drei sind so genannte Früchte des Geistes (vgl. Gal 5,22). Demut, Sanftmut, Geduld.  Gottes Geist will es in uns wirken schreibt Paulus den Galatern. In allen dreien ist Jesus das Vorbild. Er ist von Herzen sanftmütig und demütig. „Von Herzen,“ das heißt von seinem Wesen her, aus einem tiefsten Inneren. Niemand hat so lange Mut für andere Menschen und ist bereit so viel zu tragen für ihn, wie Jesus.

(1) Die Einheit ist uns vorgegeben durch den einen Vater, den einen Herrn, die eine Hoffnung, den einen Geist, den einen Leib. (2) wir sollen sie leben, ihr ein Gesicht geben, (3) und das wird gelingen, wenn wir Demut haben, sanftmütig sind und Geduld haben.

Bei den sieben Schnüren, die das Band der Einheit ergeben, wird auch die „eine Taufe“ genannt. Die Taufe gehört auch zu dem, was uns geschenkt ist, was uns vorgegeben ist. Eine Taufe meint nicht nur eine Zahl, dass es man nur einmal getauft wird und nicht zwei oder drei Mal. Eine Taufe bedeutet, es gibt nur eine Art von Taufe, eine Zusage, die in der Taufe gegeben wird. In der Taufe wird dem Täufling zugesagt, dass seine Sünden vergeben sind, dass er Kind Gottes ist, dass Gottes Geist in ihm wohnt, dass er zur Familie Gottes gehört, dass ein neues Leben für ihn begonnen hat und das Alte gestorben ist.

Die Taufe ist ein Streitpunkt zwischen Christen und Kirchen. Es gibt Christen, die meinen, diese Zusagen könne man auch einem Säugling schon geben. Andere sagen, das kann man nur dem zusagen, der glaubt. Säuglingstaufen seien darum keine Taufen sondern nur Kindersegnungen. Es ist unbestritten, dass damals nur die Erwachsenentaufe oder besser die Mündigentaufe geübt wurde. Strittig ist, ob man die Reihenfolge ändern kann, dass man also einem Säugling die Gotteskindschaft schon zusagt und er oder sie es dann nur noch annehmen braucht, oder ob der Glaube zuerst kommen muss.

Heute nur kurz dazu: Ich glaube, dass Gottes Gnadenangebot jedem Menschen gilt und dass man dazu keine Babys taufen muss. Ich glaube, dass sich für eine Baby durch die Taufe nicht ändert. Gar nichts. Ich glaube, dass die Taufe ein Siegel ist, ein Abschluss, ein Fest für etwas, was ein Mensch erlebt hat und was man ihr oder ihm nun im Namen Gottes zusagt.

Aber heute, zu dem, was mir heute wichtig ist, ist mir das egal! Die Einheit mit Christen, die in der Taufe anders denken, steht höher! Wer an Jesus in seinem Leben vertraut, wer ihn anbetet, wer den heiligen Geist empfangen hat, die ist meine Schwester und der ist mein Bruder. Spätestens im Himmel werden wir das merken. Da sind Christen, die anders gedacht und gelebt haben wie wir. Und wir werden erkennen, was wir alles nicht erkannt haben. Wer das nicht glaubt, der hat keine Demut.

Lasst uns daran von Paulus dringend erinnern: „So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, 2 in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe 3 und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens.“  Amen

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