Lukas 17, 5-6 Glaube wie ein Senfkorn

Gut, dass du heute hier bist.
Gott hat dir etwas zu sagen.

Das Thema des Gottesdienstes habt ihr schon gehört. Jetzt möchte ich euch fragen: Wie würdest du heute deinen Glauben einschätzen?  Hast du einen starken Glauben? Oder hast du eher einen schwachen Glauben? Ich bitte euch alle um ein Handzeichen. Ich stelle drei Alternativen zur Verfügung und ihr meldet euch: (1) Ich habe einen starken festen Glauben. (2) Mein Glaube ist mittelmäßig stark. (3) Mein Glaube ist schwach. Ich habe einen schwachen Glauben.

Wie stellen wir uns jemanden vor, der einen starken Glauben hat? Vielleicht etwa so: Wer großen Glauben hat, den kann nichts erschüttern. Sie oder er vertraut Gott in den schwersten Lebenssituationen. Er oder sie traut Gott alles zu und lebt auch dementsprechend. Sie oder er erlebt ein Wunder nach dem anderen.

Wir wissen nicht, wie es um die Jünger von Jesus bestellt war. Hatten sie einen starken oder  schwachen oder sehr wankenden Glauben? Auf jeden Fall kommen sie zu Jesus und  bitten ihn um einen starken Glauben. Ich lese Lukas 17, 5-6

5Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben! 6Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorsam sein.

Ich denke, die Bitte der Jünger können wir alle nachvollziehen. „Stärke meinen Glauben!“  Warum sie gefragt haben und was sie erwartet haben, wissen wir nicht. Hatten sie Zweifel? Glaubenszweifel? Fragen, die sie nicht beantworten konnten? Hatten sie Angst, weil sie ahnten, dass es nicht leicht werden würde, Jesus nachzufolgen? Vielleicht haben sie gesehen, wie sehr sie selber drohen von dem abzufallen, was sich Jesus von ihnen wünscht? Waren sie überfordert mit seinen Forderungen?

Wer hätte nicht gerne einen größeren Glauben?! Vielleicht besonders diejenigen, deren Glaube auf die Probe gestellt wird. Die schwer zu tragen haben. Eine ernste Diagnose, Schmerzen, Ängste in ihrem Leben. Wenn der Glaube auf die Probe  gestellt wird, dann bittet man Jesus: Stärke unseren Glauben.

Vielleicht auch Menschen in  Verantwortung, eine Gemeindeleitung, sie danach fragt, wie die Gemeinde sich entwickeln soll, welche Ziele sie überhaupt hat. Ein Pastor, eine Älteste, die sich fragt: Was ist eigentlich meine  Vision  von der Gemeinde? Erwarte ich überhaupt noch etwas? Wenn der Glaube keine Vision mehr hat, dann bittet man Jesus: Herr, stärke unseren Glauben.

Vielleicht sind es auch Menschen, die sich in ihrem Glauben eingerichtet haben. Alles ganz normal. Der Glaube ist ein fester Bestandteil ihres Lebens. Sie beten vorm Essen und abends im Bett. Sie fehlen in keinem Gottesdienst. Aber sie spüren nichts mehr. Es bewegt sich nichts. Sie haben so viel schon so oft gehört. Aber ehrlich gesagt: Es lässt sie kalt! Es rührt sie nicht mehr! Da ist keine Bewegung mehr im Leben, die Gott auslöst, in der sie Jesus folgen.  Und sie beten: Herr, stärke unseren Glauben.

Egal, was sie Jünger zu ihrer Bitte bewegt hat, was wir in jedem Fall festhalten müssen: Sie gehen zu Jesus. Sie bitten ihn darum. Sie wollen eine Veränderung. Sie öffnen sich vor ihm, wollen nicht so bleiben, wie sie sind. Das können wir nicht für jeden voraussetzen. Es kann sein, dass jemand jammert, sich in Selbstmitleid verliert, alle anderen anklagt, und sie oder er  will da gar nicht heraus. Er öffnet sich nicht für ein neues Verhalten. Sie oder er geht auch nicht mit dieser Bitte zu Jesus.

Es kann sein, dass sich jemand in seinen Zweifeln, in der Rolle des Zweiflers gefällt. Ich habe einzelne Begegnungen vor Augen. Da wir noch eine Frage gestellt und noch eine Frage und noch irgendein Missstand benannt, wo Gott nicht gehandelt habe. Aber es gibt bei allem Reden überhaupt keine Annäherung mehr an Jesus. Sie oder er bittet eben nicht „Stärke meinen Glauben!“.

Viele von uns haben das erlebt oder erleben es, dass der Glaube angegriffen wird. Da liegt er am Boden, unser Glaube, angeschlagen wie ein Boxer im Ring, kann alleine nicht mehr aufstehen, da wird der Glaube angezählt. Da  fühlt jemand nichts mehr vom Glauben. Kann ihn auch nicht mehr denken. Dann gehen wir zu Jesus und bitten ihn: Herr stärke meinen Glauben. Und er richtet uns auf. Er stellt unseren Glauben wieder auf die Beine.

Aber das denke ich ist klar: Wer meint, er glaubt genug, oder auch wer nicht mehr oder stärker glauben will, die oder der bittet auch nicht. Für mich hat diese Frage auch etwas mit Liebe zu tun. Mit Liebe zu Jesus. Die einen sagen oder leben zumindest so „Ich liebe Jesus genug“. Die anderen gehen zu ihm und sagen „Herr, ich möchte dich noch tiefer, noch fröhlicher, freier, noch mehr lieben als jetzt. Bitte hilf mir dabei.“ Wer nicht mehr glauben oder lieben will, der bittet nicht.

Aber das ist auch klar: Es muss schon ein Glaube vorhanden sein bei denen, die mit dieser Bitte zu Jesus kommen. „Stärke meinen Glauben!“ Da muss mindestens ein kleiner Glaube sein. Wer mit dieser Bitte zu Jesus kommt, der glaubt! Sonst würde sie oder er nicht kommen,

Lukas nennt die Jünger gerne Apostel. So auch in diesem Text. Es ist derselbe Schülerkreis von Jesus gemeint wie sonst auch. Was haben die Apostel wohl erwartet? Ein Wunder? Eine große Veränderung an ihnen selbst? Ein neues Herz, eine neue Seele, einen neuen Sinn zu bekommen? Innerlich ganz fest zu werden? In allem widerstandsfähig? Ein Glaube ohne alle Fragen, ohne alle Sorgen, ohne alle Schwäche

Jesus erfüllt ihre Bitte nicht. Jesus gibt ihnen eine sehr unerwartete Antwort: „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorsam sein.“ Wie ist das zu verstehen? Tadelt oder ermutigt Jesus die Jünger?

Luther hat übersetzt „hättet ihr Glauben wie ein Senfkorn“. Das klingt so, als hätten sie nicht einmal einen so kleinen Glauben. Als ginge der Glaube der Apostel gegen Null. Denn das Senfkorn stand sprichwörtlich für etwas ganz Kleines. Das sind diese kleinen gelben Minikugeln, kleine gelbe Flecken im Wasser bei Essiggurken. Wir könnten es mit der Nadel im Heuhaufen vergleichen. Wirklich ganz klein, kaum zu finden, absolut unmöglich, sie wiederzufinden. So klein ist ein Senfkorn. So klein soll nicht einmal der Glaube der Apostel gewesen sein??

Nein. Luthers Übersetzung kann man schnell falsch verstehen. Jesus ermutigt seine Jünger nämlich. Andere Übersetzungen wie die Gute Nachricht übersetzen es passender: »Wenn euer Vertrauen auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu dem Maulbeerbaum dort sagen: ›Zieh deine Wurzeln aus der Erde und verpflanze dich ins Meer!‹, und er würde euch gehorchen

Jesus sagt nicht: „Was seid ihr für doch für Hohlköpfe! Habt ihr nicht einmal Glauben wie ein Senfkorn?“ Er sagt ihnen: „Und wenn ihr nur so einen ganz kleinen Glauben habt, dann ist euch alles möglich, dann habt ihr, was ihr braucht, dann braucht ihr euch überhaupt keine Sorgen machen.“

Bei der Frage nach einem stärkeren Glauben, geht es nicht um mehr Wissen, mehr Erkenntnis, mehr Verstehen, sondern um einen Glauben, der trägt, der Kraft hat, der uns neu bewegt. Wenn du auch nur einen Glauben hättest in Größe eines Senfkornes du würdest dem Maulbeerfeigenbaum dort sagen „reiß dich aus“, er würde sich selber ausreißen und durch die Luft schweben und niemand weiß wie das gehen soll: Er würde sich ins Meer pflanzen!“

Das Senfkorn ist winzig. So ein Maulbeerfeigenbaum ist riesig. Das ist David gegen Goliath. Ein Maulbeerfeigenbaum hat weit verzweigte starke Wurzeln und spitze Dornen. Man sollte man ihn mindestens 50 Ellen, also fast 20 Meter vom nächsten Brunnen weg pflanzen. Andernfalls würden seine Wurzeln den Brunnen beschädigen. Der Baum wird sechs bis zwanzig Meter hoch. Eine gut gewachsene Senfstaude vielleicht Einmeterfünfzig. Ein Senfkorn kann schon mal Garnichts gegen einen Maulbeerfeigenbaum ausrichten.

Eine Mücke gegen einen Elefanten. Jesus hätte auch eine Geschichte erzählen können, in der eine Mücke einen Elefanten vertreibt. So übertrieben ist das Bild, das er verwendet. Dass die Mücke die Kraft nicht in sich selber hat, das ist klar. Das Senfkorn ist ein kleiner, ein schwacher Glaube.  Wie eine Mücke. Aber dieser Glaube reicht.  Dein Glaube reicht. Wir brauchen keinen Wettstreit, wer den größten Glauben hat. Was Jesus dir schenkt an Vertrauen, das reicht.

Ich denke an eine andere Geschichte. Ein Vater bringt sein Kind zu Jesus. „Erbarme dich, hilf uns, heile ihn, wenn du kannst!“ sagt der Vater. „Wer glaubt, dem ist alles möglich!“ sagt Jesus. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ sagt der Vater. – Und Jesus heilt den Jungen. (Mk 9, 14-29) „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“  Ist das nicht so ähnlich wie die Bitte der Apostel „Stärke unseren Glauben“?

Wenn wir mit unserer Not zu Jesus kommen, müssen wir ehrlicher Weise nicht oft auch sagen „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“? „Herr, ich glaube, ich vertraue dir, aber da ist auch Angst, Zweifel. Wirst du mich deine Liebe und Macht sehen lassen? Vergisst du mich vielleicht doch? Bitte vergiss mich nicht.“ –  Da ist ein kleiner Glaube und der zeigt sich daran, dass man zu Jesus geht,  von ihm Hilfe erwartet,  ihm treu ist, sich wie ein Knecht oder eine Magd an seine Füße setzt, bei ihm bleibt und wartet, bis er handelt.

Es gibt Christen, ich kenne welche und ihr vermutlich auch, die haben einen unerschütterlichen Glauben. Berufsoptimisten. Christen, die in den schwersten Situationen eine innere Zuversicht haben und Hoffnung ausstrahlen. Es gibt Christen, die mit einem besonderen Glauben begabt sind. Wer einen solchen Glauben hat,  der nie wankt oder wackelt, der soll ihn einsetzen, um andere zu ermutigen und der soll Gott dafür danken. Aber das ist ein besonderes Geschenk.

Wir anderen haben einen kleinen Glauben. Aber wir gehen damit zu Jesus, bleiben bei ihm, lassen uns bei ihm stärken, erleben, wie er uns alles Nötige gibt. Unser Glaube kann schwach sein, aber wir haben immer einen starken Herrn. Es ist nicht dein Glaube, der dich rettet, es ist der Herr, an den du glaubst, der dich rettet. Das ist ein feiner Unterschied. Es geht nicht um einen Glauben, den wir machen müssen. Es ist der Glaube, den Gott uns schenkt, und der reicht. Dein kleiner Glaube ist wie ein kleiner Schlüssel zu einer ganz großen Tür, zu einem ganz großen Raum,  einem riesigen hellen Thronsaal Gottes, ein kleiner Schlüssel direkt zu ihm. Du brauchst keinen größeren Schlüssel.

Ist dann also alles egal, wie ich glaube? Nein. Du sollst auch deinen kleinen Glauben nicht vergraben. Du sollst ihn einsetzen. Danach leben. Als die Jünger einmal in einen großen Sturm geraten sind, waren sie voller Angst. Sie taten alles, um das Boot über Wasser zu halten. Sie brachten alle ihre Erfahrungen ein und gaben alle ihre Kräfte. Aber sie haben Jesus nicht ins Boot geholt. Sie haben nicht mit ihm gerechnet. Sie haben nicht auf Jesus gesehen. Erst als sie völlig erschöpft waren, weckten sie ihn auf. Jesus gebietet dem Sturm und es wird still. „Habt ihr denn immer noch keinen Glauben?“ fragt er sie dann. (Mk4, 35-41) Sie haben nur auf ihre Kraft gesetzt. Sie haben auf sich selbst gesetzt. Sie haben nicht darauf vertraut, dass Jesus mit in ihrem Boot ist und er sie bewahren wird.

Obwohl der Vater, der seinen Sohn bringt, keinen großen Glauben hat, fragt Jesus ihn doch danach. Glaubst du? „Hast du den Glauben, dass Gott Kraft hat, dich verändern will, dich in Bewegung setzten will? Oder glaubst du das gar nicht?  Traust du Gott gar nichts mehr zu in deinem Leben?

Jesus beklagt den Kleinglauben seiner Jünger. Die Kleingläubigen glauben an ihren eigenen Glauben. Haben sie einen kleinen Glauben, dann trauen sie Gott nichts mehr zu. Dann handeln sie ihrem kleinen Glauben entsprechend. Achtung. Das ist ein feiner Unterschied: Kleinglaube vertraut letztlich nur auf sich selber. Ein kleiner Glaube aber ist ein Glaube, der der Kraft und Liebe Gottes vertraut. Vielleicht angegriffen, vielleicht wackelig, aber treu.

Ich weiß ja nicht, was du am Anfang der Predigt gedacht hast. Hast du einen starken, einen mittleren oder schwachen Glauben. Jesus will seine Jünger davor bewahren, ihren kleinen Glauben gering zu schätzen. Sie brauchen nicht auf sich selbst sehen, auf ihre eigene Glaubenskraft. Sie haben einen großen Gott, einen starken Gott, der sie liebt und der treu ist. Das reicht.

Es gibt Tage, da fühlen wir uns so, als könnten wir Bäume ausreißen. Okay. Das ist auch übertrieben. Es ist ein Bild für unserer Kraft und den Mut, den wir dann haben. Gott kann jeden Tag Bäume ausreißen, sie schweben lassen und sie im Meer wachsen lassen. Diesem Gott vertrauen wir.

Amen.

Ich habe von einigen Predigten im Internet profitiert. Dr. Benedikt Bruder, www.predigtpreis.de; Dr. Helmut Geiger, www.predigtpreis.de; Hanna Hartmann, www.predigten.evengelisch.de; Heinz Janssen, www.theologie.uzh.ch.

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