Jakobus 1,19 Schnell zum Hören

Norbert Giebel, Andacht YouTube Juni 2021

Jakobus 1, 19-20  Seid schnell zum Hören, langsam zum Reden.

Herzlich willkommen zu unserer Morgenandacht.

Heute geht es ums Hören. Hinhören. Zuhören. Vieles kann man ganz schnell machen. Man kann schnell laufen, schnell oder langsam  essen oder trinken, man kann sich schnell wehren,  man kann auch schnell reden. Kann man auch schnell hören? Wie soll das gehen? Jakobus fordert genau das im ersten Abschnitt seines Briefes: „Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören und langsam zum Reden!“

Wenn Menschen zusammen reden wollen, geht das nicht, ohne zuhören. Wenn man nicht hinhört, was der andere sagt, hält man einen Monolog: Ich sage, was ich sagen will, die oder der andere ist mir egal. Ich sage, was ich sagen will, ich weiß sowieso, was sie oder er sagen wollen.

Wer nicht zuhört,  meint, dass er auch so schon alles richtig sieht und beurteilt. Sie oder er baut ein Gefälle auf. Wer nicht zuhört, der spricht von oben herab. Er oder sie hat ihre Meinung schon gebildet, hat schon alle Entscheidungen getroffen, die oder der andere ist nur noch ein Sparringspartner. Das ganze Gespräch  dient nur dazu, dass ich Recht habe, mich durchsetze, die Argumente oder Sichtweisen des anderen widerlege. Hören können hat es mit Demut zu tun. Nichthören mit fehlender Demut.

Wer nicht zuhört, meint die anderen nicht mehr zu brauchen. Oder er nimmt sich selber so wichtig, dass er ständig von sich selbst erzählen muss. Dann braucht er die anderen dringend aber er  meint es dadurch zu erreichen, dass er viel redet. Er würde die anderen gewinnen, wenn er still sein  könnte, wenn er hören könnte.

Der Jakobusbrief ist ein Stück Weisheitsliteratur im Neuen Testament. Die Weisheit fragt nach Regeln, die zu einem guten Leben helfen, die dem Leben dienen. Das Buch der Sprüche im Alten Testament ist ein Weisheitsbuch. Da wird nicht gefragt,  was wir glauben oder was Gott getan hat, sondern wie man richtig  lebt, wie man mit Gott richtig lebt. Der Zusammenhang von Hören und Reden wurde schon Jahrhunderte vor Jakobus reflektiert:

  • Sprüche 10, 19: „Wo viele Worte sind, da geht’s ohne Sünde nicht ab; wer aber seine Lippen im Zaum hält, der ist klug.“
  • Sprüche 14,29: „Wer geduldig ist, der ist weise; wer aber ungeduldig ist, der offenbart seine Torheit.“
  • Sprüche 29,20: „Siehst du einen, der schnell ist zu reden, da ist für einen Narren mehr Hoffnung als für ihn.“

Es geht nicht darum, nichts zu sagen! Es geht darum, vorher zuzuhören, vielleicht noch einmal hinzuhören, die eigene Meinung und Haltung verändern zu lassen durch das, was ich höre. Vielleicht sogar still zu werden, es sacken zu lassen, was ich gehört habe. Schnell reden fällt leichter. Das geht schneller. Da braucht man keine Geduld. Unser Hören aber soll schneller sein. Wir überholen das, was wir schon wieder sagen wollen durch unser Hören. Dann siegt unser Hören. Es ist wieder schneller da.

Wenn man nicht mehr hören kann, ist eine Beziehung kaputt. Reden  kann man vielleicht noch.  Aber es bewegt nichts. Man trifft sich noch einmal, redet wieder, hat vielleicht das Gefühl, dass die oder der andere zuhört, mich versteht, mich wieder annimmt, mich ernst nimmt, und am Ende bewegt sich gar nichts.

Wenn Menschen sich verletzt oder zerstritten haben ist die wichtigste Frage nicht,  ob sie noch mal bereit sind zu reden, sondern ob sie noch einmal bereit sind zu hören. Vielen fällt es nicht immer leicht, zuzuhören. Entweder ist man in einer Sache zu sehr engagiert  oder  persönlich involviert, aufgeregt. Zuhören fällt nicht immer leicht. Aber wir alle wissen, wie gut es tut, wenn man erlebt,  dass jemand einem zuhört. Man muss sich nicht mehr selber schützen beim Reden. Man kann ins Unreine reden. Wenn jemand gut zuhört, Geduld, Demut, Annahme darin ausdrückt, dann kann man ungeschützt reden.

Vielleicht kennen einige das   Kinder- und Jugendbuch Momo. Momo ist ein besonderes Mädchen. Es hat Zeit und es kann zuhören. Beides haben alle anderen Menschen in dem Buch verloren. Momo ist nie gehetzt. Sie kann sich Menschen ganz zuwenden. Und die Menschen verändern sich dadurch. Schüchterne fühlen sich plötzlich frei und mutig. Traurige und Bedrückte werden frei und fröhlich.

Ich glaube, was man überholen muss durch schnelles Zuhören sind meistens die eigenen Emotionen. Die Ohren funktionieren ja noch. Aber meine Gefühle lassen das, was die oder der andere sagt, nicht mehr in mich hinein. Ich bin hart geworden und ich habe den anderen in seiner Rolle festgelegt. Zorn ist die Emotion, die Jakobus nennt. Er schreibt:
Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden und langsam zum Zorn. Denn ein zorniger Mensch tut nicht, was vor Gott recht ist.“  (Jak 1, 19-20)

Es gibt keinen gerechten Zorn bei Menschen. Zumindest nach der Bibel nicht. Zorn führt nie zu gerechter Rede und zu gerechtem Tun. „Wer zornig ist, der kann nicht tun, was Gott recht ist.“

Eine Frage zum Schluss und eine Übung für heute. Zuerst die Frage: Gibt es jemanden, mit dem du nicht mehr reden magst? Warum nicht? Bist du verletzt? Bist du zornig? Wirst du nicht ernst genommen? Vielleicht ist es dran, dass du dieser Person vergibst, ihr ihre Schuld nicht mehr anrechnest und Situationen findet, indem du ihr zuhören kannst.

Jetzt die Übung für heute: Höre genau hin, was Menschen sagen. Vielleicht in der Straßenbahn. Lass das Handy aus. Oder beim Einkaufen, was eine Kollegin sagt oder der Junge, wenn er von der Schule kommt. Hör einfach mal hin und dann liebe und segne die Menschen, von denen du etwas gehört hast.

Nicht ohne Grund hat Gott uns Menschen nur einen Mund gegeben, aber zwei Ohren.

Amen.

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