Jesaja 12 Danken und Loben im Voraus

18.09.2022

Der Predigttext heute ist ein Psalm, ein Lied. Wir finden dieses Lied in einem Prophetenbuch.
Ich lese Jesaja, Kapitel 12:

1 Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR, dass du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. 2 Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.  3 Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen.  4 Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist!  5 Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen. Solches sei kund in allen Landen! 6 Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir!

Jesaja 12 ist ein prophetisches Lob- und Danklied. Jesaja 12, das ist Zukunftsmusik. Ein Lied mit viel Dur und wenig Moll.  Da geht es fröhlich zu. Ein Hit war das Lied aber kaum, denn es ist ein Loblied in schwerer Zeit. Das Volk Juda war bedroht. Das Nordreich Israel war den Assyrern zum Opfer gefallen und verschleppt worden. Jesaja kündigt nun auch dem Südreich mit Jerusalem als Hauptstadt Gottes Gericht an. Auch sie werden besiegt und verschleppt werden. Ich lese aus Jesaja 8:

„Weil dieses Volk die ruhig dahinfließenden Wasser von Siloah verachtet hat, darum wird der Herr die gewaltigen und großen Wasser des Euphrat, (den König von Assur und seine Macht) über sie dahinfluten lassen. Und der Fluss wird alle seine Kanäle überfluten und über alle seine Ufer treten. Auch Juda wird er ergreifen und wird es überschwemmen, dass das Wasser den Leuten bis an den Hals reicht. (Jes 8,5-10)

Die Heere aus dem Zweistromland werden alles einnehmen. Gott aber lässt Jesaja nicht nur die nahe, sondern auch die ferne Zukunft sehen. Das Volk wird zurückkehren. Die Gefangenschaft wird aufgehoben werden. Wann weiß auch Jesaja nicht, aber er predigt, ich lese aus Jesaja 11:

„Gott stellt für die Völker ein Zeichen auf, um die Versprengten Israels wieder zu sammeln. Er zerschlägt den Euphrat in sieben Bäche, dass man mit Sandalen hindurch gehen kann. So entsteht eine Straße für den Rest seines Volkes, der übrig gelassen wurde von Assyrien, eine Straße, wie sie es für Israel gab, als es aus Ägypten heraufzog. (Jes 11,12ff)

Es gibt eine Zeit nach der Krise. Jesaja erinnert an die Befreiung des Volkes aus Ägypten. Gott hat damals eingegriffen, er wird auch jetzt eingreifen, Gott wird handeln. Für diese Zeit nach der Krise ist dieses Lied geschrieben. Lob und Dank im Voraus! Jesaja fordert auf, jetzt schon daran zu denken, wie es dann sein wird: „Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR, dass du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. 2 Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht. (…)  Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen.“

Was das Volk jetzt erlebt ist schwer. Sie verlieren ihre Heimat. Der Kampf um Jerusalem wird Menschenleben kosten. Sie werden den Tempel nicht mehr besuchen können. Sie werden ihr Allerheiligstes verlieren. Aber Gott wird am Ende siegen. Gott wird sie heimbringen. Dann werden sie jubeln. Dann werden sie von den Quellen des Heils nehmen. Sie werden tanzen vor Freude.

Diesen Grundton von Jesaja hat Jesus später aufgenommen, als er seinen Jüngern sagt: „Wenn aber dieses anfängt zu geschehen [nämlich die Erdbeben, Hungersnöte, Kriege, die Seuchen, die Katastrophen, von denen Jesus gesprochen hatte] dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ (Lk 21,28)

Wer mit Gott rechnet, mitten in seinem Leid, auch dann, wenn er jetzt gerade keine Sonne sieht, wer mit Gott rechnet, kann darauf bauen, dass am Ende kein Klagelied, sondern ein Loblied gesungen wird.

Ich weiß nicht, wie es dir gerade geht. Steckst du auch in einer Krise? Siehst du keine Sonne? Bist du wie gefangen? Hör nicht auf, mit Gott zu rechnen, berge dich bei ihm, denn du wirst ihm noch danken.  Am Ende wird ein Loblied gesungen!  Und du wirst Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils.

Gott zu danken, wenn es einem gut geht, das ist leicht. Gott zu loben und ihm zu danken für etwas, was man noch nicht sieht, was er noch gar nicht geschenkt hat, das ist etwas anderes. Besonders in schweren Zeiten. Das kann nur, wer Gott vertraut. Aber wer so dankt, wer schon anfängt zu danken, der fängt auch wieder an, zu vertrauen!

Jesajas Lied aber geht noch weiter. Jesaja dankt Gott für seinen Zorn! Er dankt Gott für die schwere Situation, für die aktuelle Krise, für das Leid, das sie noch nicht durchstanden haben. Gott wird darin Gutes schenken! Darauf vertraut Jesaja. „Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR, dass du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest.

Was ist das für ein Vertrauen?! Trösten heißt nicht vertrösten. Trösten heißt helfen. Befreien. Jesaja fühlt den gleichen Schmerz, aber er weiß, dass selbst Gottes Zorn   aus seiner Liebe kommt. Gott bindet sein Volk wieder an sich durch diesen Zorn.

Jesaja sagt nicht „Mehr davon“!  Aber er gibt Gott recht. Er erkennt in dem Schweren, was er erlebt, dass er und das Volk Gott nicht gleichgültig sind. Auch in seinem Zorn will Gott helfen, aufwecken, erziehen, bewahren. Gott ist nicht weg! Er ist da. In dem Schweren, was sein Volk gerade erlebt. Und er wird siegen. Er wird sie herausholen.

Gottes Zorn ist sein Nein zu dem, was seiner Liebe zum Menschen widerspricht. Gott hat schweigt nicht zu ihrer Ungerechtigkeit. Er hat ihre Selbstsucht, ihren Stolz auf Gott und ihre praktische Gottlosigkeit im Alltag nicht mehr mit angesehen. Gottes Zorn steht dafür, dass Unrecht bei ihm nicht durchgeht.

„Du sollst nicht töten!“ „Du sollst nicht ehebrechen!“ „Du sollst nicht stehlen!“ „Du sollst nichts Falsches über andere erzählen!“ „Du sollst keine anderen Götter haben neben dem einen!“ All das hat es gegeben. – Jesus hat uns in der Bergpredigt gesagt, wie wir die zehn Gebote lesen sollen: Den Alten ist gesagt, „Du sollst nicht töten“. Ich aber sage euch:  Wer seinem Bruder zürnt  und ihn einen Nichtsnutz schimpft, der ist schon des Gerichtes schuldig! Den Alten ist gesagt, „Du sollst nicht ehebrechen“. Ich sage dir, schon wer eine andere Frau ansieht und sie begehrt, der hat in seinem Herzen die Ehe gebrochen.

Ich ergänze noch einmal Sätze, die in die gleiche Richtung gehen: Den Alten ist gesagt, du sollst nicht stehlen. Die Liebe aber sagt: Wer einem anderen nicht gibt, was er braucht, was ihm zusteht, der bestiehlt ihn. Den Alten ist gesagt, du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Die Liebe aber sagt: Wer für Gott keine Zeit hat, der hat andere Götter in seinem Leben.

Das Volk damals war schuldig an Gottes Geboten. Auch wir können uns kaum davon freisprechen. Jesus verschärft die alten Gebote mit dem Liebesgebot. Und es heute wir damals: Leider lernen wir oft nur in schweren Zeiten dazu.

In einer Predigt von 2007 las ich folgenden persönlichen Bericht des Predigers:

„Ich erinnere mich an eine Situation in meinem Leben, in der es mir schlecht ging. Ich ging spazieren, ohne Ziel. Ich weinte, ich betete.  Ich sah keinen Ausweg, keine Hilfe. Ich ging lange spazieren. Und nach langer Zeit stieg bei mir im Gebet der Gedanke auf: „Wenn es von Dir kommt, Herr, dann will ich dir danken. Wenn es von dir kommt, was mich gerade so beschwert, Jesus, dann will ich es annehmen. Dann ist es gut. Vielleicht willst du mich erziehen, vielleicht soll ich etwas lernen, vielleicht soll ich auch kleiner werden, damit du größer wirst. Ich muss es gar nicht wissen. Ich muss es nicht verstehen. Wenn es von dir kommt, Herr, dann danke ich dir dafür.“

Das kommt dem Lied von Jesaja recht nahe. Sie sind noch gefangen. Es ist noch keiner nach Jerusalem zurückgekehrt. Noch lobt niemand Gott auf dem Zion, dem Tempelberg in Jerusalem. Aber jetzt schon haben sie wieder Frieden, Ruhe, Hoffnung. Sie haben Gott wieder gefunden. „Wenn es von dir kommt, Herr, dann werden wir dir noch danken!“

Danken schützt vor Wanken, Loben zieht nach droben! Viele kennen diesen Spruch. Und er steckt voller Weisheit. Ich habe die älteste Schwester unserer Gemeinde im Altenheim besucht. Sie ist 98 Jahre alt. Wir redeten über dies und das. Zwei weise Sätze sind mir besonders hängen geblieben. „Norbert,“ sagte meine 98-jährige Schwester, „wir dürfen nie das Danken vergessen. Wer das Danken vergisst, der wird bitter!“ Und noch einen weisen Satz sagte sie ziemlich zum Ende meines Besuches: „Und wir dürfen nicht leidensscheu werden. Man weiß nie, was das Leben noch bringen mag.“ – Das Danken nicht vergessen. Und dabei nicht leidensscheu sein. Das Leben ist nicht einfach. Kaum einer kommt ohne Leiden durchs Leben.

Vor der Predigt haben wir ein Lied gesungen von Martin Rinckhardt: „Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen!“ Geschrieben im 30-jähringen Krieg, 1637, in Eilenburg, heute Sachsen-Anhalt. Die Schweden und die Österreicher hatten die Stadt nacheinander belagert und dann war auch noch die Pest ausgebrochen. 4480 Menschen musste der Pfarrer Martin Rinckhardt in diesem Jahr beerdigen, manchmal 70 an einem Tag. Der Hunger war so groß, berichtet der Liederdichter, dass Dutzende von Einwohnern einer Katze nachgelaufen sind um sie zu schlachten.

Was für eine schlimme Zeit! Dennoch betet Rinckhardt jeden Tag mit seiner Familie das Dankgebet aus Sirach 50, 24: „Nun danket alle Gott, der große Dinge tut an allen Enden, der uns von Mutterleib an lebendig erhält und uns alles Gute tut.“ – Dieser Vers, dieses tägliche Gebet in der Familie Rinckhardt, wurde die Vorlage für eines der bekanntesten Danklieder: „Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen, der große Dinge tut an uns und allen Enden, der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an unzählig viel zugut bis hierher hat getan.“

Danken schützt vor Wanken, Loben zieht nach droben!

Ein anderes Lied aus schwerer Zeit ist das Lied „In dir ist Freude in allem Leide, o, du treuer Jesus Christ!“ Da wird Gott gedankt, da wird die Freude in Christus gesucht und gefunden, obwohl das Leid noch nicht vorbei ist. „Du hast’s in Händen, kannst alles wenden, wie nur heißen mag die Not.“ bekennt Cyriakus Schneegaß Ende des 16. Jhdt. Die Probleme sind nicht weg, aber Gottes Hand wird ergriffen. Mit Gott wird nach vorne gesehen. Wer davon überzeugt ist, dass er Gott noch danken wird, der schaut schon zurück und überlässt Gott die aktuelle Lage, wie bedrohlich sie auch sein mag.

Danken schützt vor Wanken. Loben zieht nach droben! Loben ist noch etwas anderes als Danken. Wenn ich Gott lobe, sage ich nicht: „Du schenkst mir Heil!“ Sondern ich sage: „Du bist mein Heil!“ Wenn ich Gott lobe, sage ich nicht: „Du gibst mir Stärke!“ Sondern ich sage: „Du bist meine Stärke!“ Wie es in unserem Lied aus Jesaja 12 heißt: Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke.

Wenn wir Gott loben, danken wir nicht dafür, was Gott uns gibt, sondern wir loben ihn dafür, was er uns persönlich bedeutet, wer er für uns ist. Probiert das doch einmal aus! Sagt Gott: „ich werde dir noch danken, dass du geholfen hast! Ich werde aus den Quellen des Heils, aus den Quellen deiner Hilfe trinken. Probiert es doch einmal aus! Und dann lobe ihn. Sage ihm, was er dir bedeutet. Du bist meine Hoffnung. Du bist meine Freunde. Du bist mein Trost. Du bist mein Bewahrer. Du bist mein Retter.

Ihr werdet trinken von den Quellen des Heils. Vielleicht gießt du dir ein Glas Wasser ein, stellst es vorher, lobst Gott, und nasch jedem ruhig gesprochenen Satz trinkst du einen guten Schluck Wasser. „Du bist meine Hoffnung.“ Und dann trinke einen Schluck Wasser. „Du bist meine Freunde“. Und dann trinke einen Schluck Wasser. „Du bist mein Trost!“ Und dann trinke einen Schluck Wasser. „Du bist mein Bewahrer“ Du bist mein Verteidiger. Du bist mein Retter. Du bist meine Freude. Und dann trinke einen Schluck Wasser.

Der Prophet Jesaja sieht noch weiter. Er sieht ein Kind, das geboren werden wird. Er sieht Gottes Messias kommen. Kapitel 9 lesen wir:

„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben. Und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Und er wird heißen:  Wunder-Rat, Ewig-Vater, Friedefürst.“  (Jes 9, 1+5)

Als Christen glauben und bekennen wir, dass Jesaja hier von Christus gesungen hat. Auf ihm ruht die Herrschaft. Er hat guten Rat und führt ihn aus. Er tut Wunder. Er ist der Friedefürst. Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht!

Amen.

Für diese Predigt habe ich besonders profitiert von der Predigt von Friedhelm Bühner vom 02.05.2021, evang-christuskirche.de.

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