Micha 5, 1-4a Neuanfang in Bethlehem

Heiligabend 24.12.2021

1 Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. 2 Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Israeliten. 3 Er aber wird auftreten und sie weiden in der Kraft des HERRN und in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde. 4 Und er wird der Friede sein.

In Bethlehem also soll etwas passieren. Das sagt Micha, ein Prophet in der zweiten Hälfte des 8. Jhdts vor Christis Geburt. Dieses kleine Hirtendorf 10 km vor Jerusalem war politisch oder wirtschaftlich nie von Bedeutung, in der Geschichte von Israel aber war es schon einige Male wichtig.

Jakob hat seine geliebte Frau Rahel dort beerdigt. Herzzerreißend ist die Geschichte von Ruth, einer Moabiterin, einer Ausländerin, mit dem Juden Boas. Ruth kriegt Boas rum, ihn zu heiraten und sie bekommen einen Sohn namens Obed. Obed ist der Großvater von David. Bethlehem nannte man auch die Davidsstadt, weil David dann dort geboren wurde. Der erste und einzige König von ganz Israel. Bald nach ihm ist das Land in zwei Teile zerfallen.

Bethlehem ist auch ein Symbol, ein Symbol für Gottes Anfänge im Kleinen, durch eine Ausländerin wie Ruth  und durch David. David war der Kleinste unter seinen Brüdern. Rund 250 Jahre vor Micha kam der Prophet Samuel nach Bethlehem. Gott hatte ihm gezeigt, dass er dort jemanden zum König salben sollte.

Isai, der Vater von David, zeigt ihm alle seine Söhne und Samuel weiß innerlich bei jedem: Der ist es nicht. „Hast du noch einen anderen Sohn?“ fragt Samuel Isai, als er alle Söhne gesehen hat. Da erst fällt ihm David ein, der Jüngste, der auf dem Feld die Schafe hütet.  Der junge und eher schmächtige David wird dann zum König von Israel gesalbt. (1. Samuel 16)

David ist für sein Gottvertrauen bekannt. Im Krieg mit den Philistern war er noch kein Soldat.  Zu jung.  Zu schwach.  Aber er stellt sich im Zweikampf nur mit einer Wurfschleuder bewaffnet dem größten Kämpfer der Philister. „Riese Goliath“ nannten sie ihn wegen seiner Größe und Kraft. David sieht die Not, die Herausforderung, er bringt keine guten Voraussetzungen mit für diesen Kampf, nur seinen Glauben, sein Gottvertrauen, und er besiegt Goliath. Ein kleiner, schwacher junger Mann, der Gott vertraut und der zum Sieger wird. Auch dafür steht David.

Jetzt also soll wieder etwas in Bethlehem passieren, sagt der Prophet Micha rund 250 Jahre später. Da soll ein neuer David geboren werden. Da will Gott noch einmal ganz neu anfangen. Was Micha aber über diesen Nachkommen von David sagt, das sprengt alle Vorstellungen:

Er wird Herr über ganz Israel sein. Sein Ursprung, sein Ausgang liegt ganz in den Anfängen in der Ewigkeit. Er wird das Volk weiden in der Kraft des Herrn. Er wird im Namen des Herrn ein guter Hirte für das Volk sein.

Sie werden sicher sein. Niemand wird Israel einnehmen können. Micha kann sich das nicht ohne Waffengewalt und ein schlagfertiges Heer Israels vorstellen. Das Heer Israels wird alle Feinde vertreiben, schreibt er im Anschluss an den gelesenen Predigttext.

Der neue David wird herrlich sein bis an die Enden der Erde, sagt Micha dann. Was ist das denn für eine Prophetie? Da kann man schon verstehen, dass das Volk den Propheten oft nicht geglaubt hat. Ein König Israels, dessen Herrschaft bis an die Enden der Erde ausstrahlt? Wie soll man sich das vorstellen? Der neue David, der seinen Ursprung in den Anfängen der Schöpfung hat, dessen Herrschaft sich auf die ganze Welt auswirken wird, er wird den Frieden bringen.

Jesaja war ein Zeitgenosse von Micha. Auch Jesaja schenkt Gott diese Gewissheit, dass Gott einen neuen David schenken wird. Jesaja nennt ihn den Friedefürsten. (Vgl. Jesaja 9, 5-6; 11, 1-5)

(Der Prophet Nathan hatte schon David selbst vorausgesagt, dass David einmal einen Nachkommen haben wird, der ewig König sein würde. Gott würde sein Vater sein und er würde Gottes Sohn sein (2. Samuel 7, 13-14). Könige wurden gesalbt, darum nannte man den König, der kommen sollte, den „Gesalbten“, übersetzt heißt das „Messias“ oder auf Griechisch im Neuen Testament „Christus“.)

Woher wissen die Propheten so etwas? Ich weiß es nicht. Gott hat es ihnen gezeigt. So als könnten Propheten hinter den Horizont sehen. Sie sehen etwas, was kommen wird, aber wie es kommt und wann es kommt, das sehen sie nicht. Damals war Israel geteilt in einen Nordstaat mit der Hauptstadt Samaria und einen Südstaat mit der Hauptstadt Jerusalem. Die Assyrer waren eine grausame Großmacht und sie kamen immer näher.

Jesaja und Micha sehen voraus, dass die Assyrer den Nordstaat mir der Hauptstadt Samaria vernichtend besiegen werden. 722 vor Christus passiert genau das. Micha erlebt das noch.

Beide Propheten aber sagen voraus, dass auch der Südstaat Juda fallen wird. Beide Staaten haben sich von Gott entfernt. Beide werden fallen, damit Gott neu anfangen kann. Weder Jesaja noch Micha aber wussten, dass Jerusalem erst in mehr als 200 Jahren nach ihnen von den Babyloniern eingenommen wird.

Das ist schon komisch mit den Prophetien. Manches erfüllt sich noch zu den Lebzeiten der Propheten, anderes sehen wir noch im Alten Testament, wie es sich erfüllt, noch anderes weist auf Jesus Christus hin. Zu Weihnachten, mehr als 700 Jahre später, da wird tatsächlich in Bethlehem ein Kind geboren, das der Messias wird, der König Gottes, und noch anderes wird sich erst ganz am Ende erfüllen, wenn Gott sein Reich aufbaut. Gott lässt die Propheten sehen, was kommen wird, aber nicht wann und wie es kommen wird. Soweit reicht ihr Fernglas nicht sozusagen.

Bethlehem in der Provinz Efrata, da will Gott in etwas ganz Kleinem, Unscheinbaren, neu anfangen. Gott hat einen „Hang zum Kleinen“ könnte man sagen, zum Elenden und Geringen. Gott sieht das Arme, das Schwache, Menschen, die am Rande stehen, (wie die Hirten in Bethlehem), und da fängt sein Heil an.

„Selig sind die Armen.“ Wird Jesus predigen. (Matth 5, 1-11) „Kommt her zu mir, die ihr euer Leben nicht schafft, die den Mut verloren haben und keine Kraft mehr haben, ich will euch erquicken!“ wird er predigen. (Matth 1,28) „Lasst die Kleinen zu mir kommen, ihnen gehört da Himmelreich!“ (Matth 19,14) Die zerbrochenen Herzen, sie dürfen auf Gott hoffen. (Ps 34,19) Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen. Den glimmenden Docht löscht er nicht aus. (Jes 42,3) Immer wieder fängt Gott im Kleinen an. Bei den Schwachen.

Mose war ein Adoptivkind, ein Mörder, ein Flüchtling und er konnte nicht gut reden. Und Gott sucht ihn aus, um sein Volk aus Ägypten zu führen.

Israel ist ein kleines Volk. Gering unter den Völkern.  Hätte Gott  mit den großen Völkern,  mit Babylon,  Assyrien, Ägypten, Griechenland nicht einen viel besseren Start gehabt? Nein, er musste Israel nehmen. Ausgerechnet Israel. Diesen „30 km breiten Grünstreifen“ im Osten des Mittelmeeres, wo alle Heere der Antike durchmarschiert sind.

Petrus hatte Jesus verleumdet. Gott macht ihn zum Sprecher der Jünger von Jesus. Paulus war krank. Er hatte eine Art Schüttellähmung, eine Art Parkinson. Gott macht ihn zum wichtigsten Missionar überhaupt.

Nicht in Jerusalem, der heiligen Stadt, fängt Gott neu an, sondern in Bethlehem. „Brothausen“ heißt das übersetzt. Nicht bei den „Neunmalfrommen“, die sich für besser halten, sondern bei den Armen, bei Sündern, bei den kleinen Leuten, in den ärmsten Hütten, da sitzt Jesus zu Tisch. Den kleinen Zöllner Zachäus pflückt er sich vom Baum, um bei ihm einzukehren. (Lukas 19)

Das ist Weihnachten. Nicht in einem Palast sondern in einem Stall lässt Gott seinen Sohn zur Welt kommen. Gott geht nach unten, um die, die ganz unten sind, zu sich einzuladen. Er geht „an die Hecken und Zäune“, an die Straßen außerhalb der Stadt, nicht nur in die großen Villen, zu den Reichen und Starken, die ihr Leben scheinbar alleine schaffen. (vgl. Luk 14,23)

Noch etwas ist wichtig. Auch da sind Jesaja und Micha sich einig. Nicht ganz Israel  wird in diesem Kind, das geboren wird, Gottes neuen Anfang erkennen. Nur ein Rest Israels, ein Teil Israels wird den Messias erkennen. (Micha 5,2; Jes 7,3; 6, 10-13) Dieser König kommt nicht so, wie man sich einen König vorstellt. Er wird in eine Krippe aus Holz gelegt und er wird an einem Kreuz aus Holz sterben. Der Holzweg Gottes wird zum Heilsweg mit seinen Menschen.

Gott zeigt seine Demut in Jesus Christis. Den Mut, ganz klein zu sein, sich verletzlich zu machen,  den Menschen zu dienen, sie mit aller Kraft leidend, leidenschaftlich zu umwerben.

Jesaja und Micha haben auf den Messias gewartet. Sie haben das ganze Volk in Erwartung gesetzt. Sie haben treu gesagt, was sie von Gott wussten, ohne zu wissen wie und wann es geschehen würde. Wir sind einen unfassbar großen Schritt weiter! Wir feiern Weihnachten. Gott hat sein Wort gehalten. Sein König wurde in Bethlehem geboren.

Aber immer noch setzen uns die Worte der Propheten in eine große Erwartung.  Noch ist nicht alles erfüllt, was sie gesehen haben. Jesus wird wiederkommen. Gott wird sein Reich in ihm aufbauen. Dann wird seine Herrlichkeit für alles was lebt, sichtbar, erfahrbar, Wirklichkeit sein.

Das ist die Botschaft von Micha. Gott hat ein Herz für das Kleine, das Schwache, das Unscheinbare. Gott liebt die Verlorenen. Gott steht zu seinem Wort. Wir dürfen seine Treue zu Weihnachten feiern. Und er wird seine Herrschaft einmal aufrichten, darum beten wir im Vaterunser „Dein Reich komme!“ Dann wird Frieden sein, Schalom, für die ganze Schöpfung.

Der Name Jesus heißt übersetzt „Gott rettet“. Egal wie weit unten wir sind: Wer Jesus glaubt, der ist gerettet.

Amen.

 

 

 

 

 

 

 

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