Philipper 2, 5-11 Ein Lied auf Jesus

Palmsonntag, 10.04.2022

Ihr Lieben,

Ein Kind bekommen, das kann Leben auf den Kopf stellen. Jetzt kann man das eigene Leben nicht mehr so planen wie vorher. Jeden Tag und jede Nacht fordert das Neugeborene Aufmerksamkeit. Die Eltern opfern viel für ihr Kind, aber man bekommt auch viel zurück. Sie lieben es doch, da nehmen sie gerne alle Einschränkungen in Kauf.

Ein krankes Kind zu bekommen, dass noch mehr Pflege braucht, das den Eltern Sorge macht, vielleicht kann es nie gehen, vielleicht kann es nie hören, vielleicht fehlt ein Organ, vielleicht hat es eine  Krankheit, bei der man das Gefühl hat, nichts zurück zu bekommen, kein Lächeln, kein Sprechen, das stellt das Leben noch mehr auf den Kopf, aber man liebt das Kind doch, man besucht Ärzte, sucht Therapien auf, schult sich selber weiter, mit seinem geliebten Kind gerecht zu werden. Ein Kind zu bekommen, das kostet Opfer, aber die Eltern geben sie gerne. Es ist ihre Liebe, in der sie alles gerne geben für ihr Kind.

Gott hat nicht nur ein Kind, viele Kinder, eingeschränkte Kinder, dumme Kinder, er tut so viel für sie, und er bekommt so wenig zurück. Das stellt sein ganzes Leben auf den Kopf. Gott wird Mensch, Gott wird einer wie seine Kinder, Gott wird ein Mensch, weil er seine Menschen so liebt. Gott stellt alles auf den Kopf, das tut weh, das kostet Opfer, aber er tut es gerne, weil er sie liebt, seine Menschen. Ich lese Philipper 2, 5-11 (neue Genfer Übersetzung)

5 Das ist die Haltung, die euren Umgang miteinander bestimmen soll; es ist die Haltung, die Jesus Christus uns vorgelebt hat. 6 Er, der Gott in allem gleich war und auf einer Stufe mit ihm stand, nutzte seine Macht nicht zu seinem eigenen Vorteil aus.
7 Im Gegenteil: Er verzichtete auf alle seine Vorrechte und stellte sich auf dieselbe Stufe wie ein Diener. Er wurde einer von uns – ein Mensch wie andere Menschen.
8 Aber er erniedrigte sich ´noch mehr`: Im Gehorsam gegenüber Gott nahm er sogar den Tod auf sich; er starb am Kreuz ´wie ein Verbrecher`.
9 Deshalb hat Gott ihn auch so unvergleichlich hoch erhöht und hat ihm ´als Ehrentitel` den Namen gegeben, der bedeutender ist als jeder andere Name. 10 Und weil Jesus diesen Namen trägt, werden sich einmal alle vor ihm auf die Knie werfen, alle, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind. 11 Alle werden anerkennen, dass Jesus Christus der Herr ist, und werden damit Gott, dem Vater, die Ehre geben.

Der Predigttext ist ein altes Bekenntnislied, der sogenannte Philipper-Hymnus. Paulus und den Philippern war es vertraut. Paulus zitiert es ganz selbstverständlich. Die ersten Christen hatten kein Neues Testament, keine Evangelien, keine Briefe der Apostel. Aber sie hatten schon sehr früh Bekenntnisse und die wurden gesungen. Das Lied im Philipperbrief hat ein klares Versmaß und zwei Strophen: Im ersten Teil geht die Bewegung von oben nach unten, vom Himmel auf die Erde in die Erniedrigung bis am Kreuz. In der zweiten Strophe geht die Bewegung aus der Niedrigkeit nach oben in die Herrlichkeit. Das alte Lied lädt uns ein, Jesus zu loben.

Erstens: Jesus wird gelobt als der, der von Anfang an bei Gott war.

Jesus hat seinen Ursprung bei Gott. Das ist das Bekenntnis der ersten Christen. Er war Gott gleich. Er war nicht nur Gott ähnlich, also Bild Gottes, wie es die Schöpfungsgeschichte vom Menschen verkündet, nein, er ist selbst göttlich, aus Gott gekommen. Als solchen beten wir ihn an. Jesus ist präexistent, vor aller Schöpfung. Auch das Johannesevangelium beginnt mit einem solchen Bekenntnis: „Am Anfang war das Wort, du das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Alles ist durch das Wort geschaffen. (…) Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“  (Joh 1, 1.3.14)

„Viele Male hat Gott zu den Vätern gesprochen“, beginnt der Hebräerbrief, „in dieser letzten Zeit aber hat er durch seinen Sohn gesprochen (…) durch den er auch die Welt geschaffen hat!“ Als solchen beten wir Jesus an, als den Sohn, der aus dem Vater gekommen ist, und durch den er die Welt geschaffen hat.

Zweitens: Jesus wird gelobt als der, der sich selbst erniedrigt hat.

Er nutzte seine Macht nicht zu seinem eigenen Vorteil aus. 7 Im Gegenteil: Er verzichtete auf alle seine Vorrechte und stellte sich auf dieselbe Stufe wie ein Diener. Er wurde einer von uns – ein Mensch wie andere Menschen.

„Er entäußerte sich selbst“, hat Luther übersetzt. Das heißt, er machte sich leer, er ließ alles los, er hielt an nichts fest, er gab alles auf, die Macht, die er hatte und das was er war. Den größten Teil seiner eigenen Erniedrigung, dass er an seinem Gottsein nicht festgehalten hat,  sehen wir nicht. Aber sie setzt sich fort bei seiner Geburt. Jesus wird nicht einfach Mensch, er wird ein niedriger, ein einfacher Mensch. Er wird in einem Stall geboren.  Hirten kommen zu ihm.  Einfache Leute, Menschen am Rand der Gesellschaft, von vielen mit Räubern und Wegelagern in einen Topf geworfen.  Sie sind die ersten, die Jesus anbeten. Magier kommen aus dem Osten, Zauberer, Sterndeuter. Hirten und Heiden sind die ersten, die ihn anbeten.

Sein ganzes Leben hat er, der Gott gleich hätte bleiben können, als einen Dienst verstanden. Er hat nicht für sich gelebt, er hat für andere gelebt. „Er, der reich war“, schreibt Paulus den Korinthern: „Er, der reich war, wurde um unseretwillen arm um uns durch seine Armut reich zu machen.“ (vgl. 2. Kor 8,9) Als solchen beten wir Jesus an, als den, der alles gegeben hat. Das vermag nur die  Liebe! Nur die Liebe ist dazu fähig. Wie groß muss seine Liebe sein!

Jesus wanderte nicht als verkleideter Gott durch Judäa, Galiläa und Samarien. Er wurde wirklich Mensch, leidensfähig, man konnte ihm wehtun, man konnte ihn enttäuschen, man konnte ihn verraten. Der Allmächtige wird verletzbar, für uns, darum beten wir ihn an.

Heute, am Palmsonntag, werden wir an seinen Einzug in Jerusalem erinnert. Als er in die Stadt einzog, wurde er noch gefeiert, später verspotten sie ihn. Aber schon sein Einzug nach Jerusalem war ein Zeichen:  Er ritt auf einem geliehenen Esel. Die Römer die es gesehen hatten, werden ihn kaum ernstgenommen haben. Sie wussten wie ein Triumphzug aussieht.  Der Feldherr zieht voran in einem Kriegswagen oder einem Prunkwagen,  gezogen von Sklaven oder von starken Pferden. Dann folgen die Soldaten, dann kommen die Gefangenen. Ein Mann auf einem Esel, der kann kein Reich gefährden, dachten die Soldaten. Schon der Einzug nach Jerusalem war ein Zeichen dafür, dass hier einer eine ganz andere Art von Herrschaft antritt.

Er, der ein freier Herr ist und niemandem untertan, er wird ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan. Jesus ist von Herzen demütig. Er erniedrigt sich selbst. Er verzichtet auf Prunk und auf Zeichen weltlicher Herrschaft. Als solchen beten wir ihn an.

Drittens: Jesus wird gelobt als der, der bis ans Kreuz gehorsam war.

„Er erniedrigte sich ´noch mehr`: Im Gehorsam gegenüber Gott nahm er sogar den Tod auf sich; er starb am Kreuz ´wie ein Verbrecher`.“ Heißt es in unserem Hymnus. Im Garten Gethsemane ringt Jesus um Gottes Willen. Alle seine Angst kommt hoch. Er wird verraten von einem Freund, er wird abgeführt wie ein Verbrecher, er wird verhört, falsche Zeugen sagen gegen ihn aus. Er, der Gott in allem gleich war, er wird verspottet, bespuckt, ausgepeitscht.   Er trägt sein Kreuz. Er stirbt am Kreuz. Und er wusste es vorher! Er hat es freiwillig getan!

„Der Menschensohn ist gekommen, nicht dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben hingebe als Lösegeld für die vielen.“ hat Jesus einmal von sich gesagt. (Markus 9,10) Jesus hatte  in jedem Moment  die Möglichkeit, auszusteigen. Jesus musste diesen Weg nicht gehen, er wurde nicht gezwungen. Jesus hätte fliehen können, sich wehren. Jesus war keine Marionette Gottes. Er hätte ungehorsam sein können. Er hätte ganz anders leben können! Aber er wollte nicht. Er wollte Gottes Liebe leben, Gott gehorsam sein bis ans Ende. Er hat alles aufgegeben und sich erniedrigen lassen, damit wir mit ihm erhöht werden können. Jesus hat seinen eigenen Wunschzettel für sein Leben „leer gemacht“, damit wir darauf Platz haben.

„Obwohl er Gottes Sohn war“ lesen wir im Hebräerbrief, „obwohl er Gottes Sohn war, hat er durch Leiden Gehorsam gelernt!“ (Hebräer 5,8) „Er war gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz“. So beten ihn die ersten Christen an mit dem Philipper-Hymnus. Das kann nur die Liebe. Wie unendlich groß muss seine Liebe sein! Er, der Gott gleich war, ist den Weg nach ganz unten gegangen. „Gekreuzigt, gestorben und begraben.“ Darum beten wir ihn an.

Viertens:  Jesus wird gelobt als der, der den höchsten Namen hat.

Deshalb hat Gott ihn auch so unvergleichlich hoch erhöht und hat ihm ´als Ehrentitel` den Namen gegeben, der bedeutender ist als jeder andere Name. „Herr“ ist der Name, der über alle Namen ist. Kyrios auf Griechisch. Jesus ist der Herr, das ist das älteste christliche Bekenntnis. Der Name Gottes im Alten Testament, Jahwe, wurde mit Kyrios, Herr, übersetzt. Der Kyrios ist der „Weltenherrscher“ oder „Herr über alles.“ Der Kaiser in Rom hatte diesen Titel für sich beansprucht. Die Christen verwenden ihn für Christus. Der Titel Herr setzt ihn gleich mit dem Gott des Alten Testamentes  und setzt ihn über alle Herrscher und Könige der Welt.

Dass Gott ihm den Namen Herr gegeben hat, bedeutet, dass er ihm alle Macht gegeben hat. Er, der in einem Stall geboren wurde, der auf einem jungen geliehenen Esel in die Stadt Jerusalem geritten ist,  ohne Kriegswagen, ohne Prunk, ohne weltlichen Reichtum, ohne Gefangene mit sich zu führen, der gehorsam bis zu seinem Ende war, ihn macht Gott zum Herrn der Herren, zum König der Könige.

Als solchen beten wir ihn. Der auferweckt wurde. Der nicht im Grab geblieben ist. Der den Tod überwunden hat. Der unseren Tod überwunden hat. Der zur Rechten Gottes sitzt. Dem Gott alle Herrschaft übergeben hat. Ihn, der herrlich ist, ihn beten wir an. (vgl. auch Epheser 1, 20-22)

Im großen Lobpreis zu Beginn des Hebräerbriefes lesen wir: „Zuletzt hat Gott durch seinen Sohn gesprochen (…) „er hat die Reinigung von den Sünden bewirkt“ (…) „er ist um so viel erhabener geworden als die Engel wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihre Namen.“  (Hebräer 1, 1-4)

Fünftens: Jesus wird gelobt als der, vor dem sich einmal alle Knie beugen.

Und weil Jesus diesen Namen trägt, werden sich einmal alle vor ihm auf die Knie werfen, alle, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind. 11 Alle werden anerkennen, dass Jesus Christus der Herr ist, und werden damit Gott, dem Vater, die Ehre geben.

Der Kniefall ist das Zeichen der Demut, der Anerkennung der Ehre und Herrschaft des anderen. Wer auf die Knie geht, der ist selber nicht mehr Herr. Nicht über sich selbst und nicht über den Menschen neben sich. Wer auf die Knie geht, der anerkennt einen anderen als Herrn.  Wer vor dem Herrn auf die Knie geht, der zeigt ihm:  Ich ordne mich dir unter. Ich will leben, wie es dich ehrt. Ich folge dir nach. Mein Leben soll dein Leben widerspiegeln. Auf dem Weg nach unten   und   auf dem Weg nach oben,   den Gott schenkt.

Versucht doch einmal, auf die Knie zu gehen und Befehle zu erteilen oder auf den Knien stolz zu sein. Versucht doch einmal auf den Knien gegen jemanden zu kämpfen. Das geht nicht. Der Kniefall ist das Zeichen der Demut. Und: Er ist das Zeichen der Anbetung. Das griechische Wort für Anbetung „Proskynese“ heißt übersetzt „Kniefall“, auf den Knien beten. Da kommt sogar das Wort „kynos“, Hund, drin vor. Wer anbetet, der geht auf die Knie, der anerkennt den Herrn, der begibt sich dem Wort nach auf die Ebene des Hundes. Wer anbetet, der sagt: „Ich bin nicht wert, dass du in mein Haus einkehrst.  Aber sprich nur ein Wort, dann wird dein Knecht gesund.“ (Matthäus 8,8)  Jesus anbeten heißt, mich ganz unter seine Herrschaft zu stellen. Alles andere sind nur Worte.

Als Student war ich Mitglied Gemeinde in Hamburg-Wandsbek. Dort war es üblich, dass Studenten am Theologischen Seminar ihr letztes Jahr in der Gemeindeleitung mitarbeiten konnten, um Gemeindeleitung zu lernen. Als ich das erste Mal dort in einer Sitzung war, sagte der Gemeindeleiter: „Dann lasst und beten.“ Alle standen auf und ich dachte, die stehen auf zum Gebet. Aber nichts da. Alle haben sich hingekniet und dann auf den Knien gebetet.

Vielleicht betet der eine oder die andere von uns zuhause auch einmal auf Knien. Auf Knien zu beten, das ist eine Geste, eine äußere Haltung, die helfen kann, eine innere Haltung einzunehmen. Das ist eine Gebetshaltung, in der ich mich entscheide, wer mein Herr sein soll.

Ich möchte nun nach der Predigt beten. Und ich möchte mich dabei hinknien. Ich möchte Jesus als den Herrn mit dieser Körperhaltung anbeten. Ich möchte ihm zeigen, dass ich mich ihm ganz unterstelle.  Ich möchte ihn ehren damit. Hier im Raum sind viele, die Jesus ehren und sicher etliche, die ihm mehr gehorchen als ich. Aber ich möchte es heute einmal vor Gott durch mein Knien ausdrücken, dass Jesus mein Herr ist. Niemand muss da mitmachen.

Aber vielleicht sind noch andere hier, die sich hinknien wollen. Als ein äußeres Zeichen dafür, dass jemand ganz Jesus gehören möchte. Ich werde jetzt beten und mich hinknien. Ich bitte die Gemeinde, aufzustehen. Aber jeder, alle, die den König der Demut heute auf diese Weise  ehren wollen, können auch aufstehen, in den Gang gehen und sich ebenfalls hinknien. Wir stehen dazu auf. Oder wir Knien uns dazu.

Herr Jesus.
Du bist der Herr über alle Herren.
Du hast den Namen, der über alle Namen ist.
Du heißt Immanuel, das heißt: Ich bin bei euch.

Du hast alles aufgegeben für uns und für mich.
Dir will ich alles geben. Dir will ich mich geben.
Komm und zieh bei mir ein.
Ich will lernen, demütig zu sein.

Ich bekenne öffentlich:
Mein Glaube ist oft nicht groß.
Meine Liebe ist oft blind.
Meine Hoffnung ist oft ohne Geduld.

Bitte, Herr,
gebe deinen Heiligen Geist in mein Herz, in unser Herz,
dass wir leben und lieben,
so wie es der Gemeinschaft mir dir entspricht.

Amen

 

 

 

 

 

 

 

Zurück