Leben im Geist

Liebe Gemeinde,

der Predigttext heute steht am Anfang von Kapitel 8 im Römerbrief. Es geht darum, dass das neue Leben, das Gott uns durch seinen Sohn schenken will, durch den Heiligen Geist bei uns ankommt. Ich möchte die Argumentation von Paulus noch einmal nachvollziehen. Die große Freiheit und Freude in Römer 8 können wir anders nachempfinden, wenn wir noch einmal zurücksehen. Ich möchte uns heute durch den Römerbrief bis zu Kapitel 8 hinführen;  quasi als  Auslegung von Kapitel 8, dem Höhepunkt, die Krönung, die Paulus in den Kapiteln vorher vorbereitet.

In der Kirchengeschichte ist Römer 3 von großer Bedeutung. Das war der Text von Martin Luther, der Text der Reformation: Wir sind gerettet allein aus Glauben. Bis Römer 3 arbeitet Paulus heraus, dass kein Mensch gerecht vor Gott ist. Heiden nicht und Juden nicht. Paulus zerbricht den  Stolz der Frommen, die auf Heiden herabsehen, die sich für besser halten. „Zu uns hat Gott gesprochen“, sagen sie. „Wir kennen den lebendigen Gott“, brüsten sie sich.

Die Frommen, die Juden, sie grenzen sich von anderen ab. Sie schütteln den Kopf darüber wie andere leben. Sie sind blind dafür geworden, wie falsch sie selber sind. Wie ungehorsam, halbherzig, egoistisch. Sie führen ihr Leben  praktisch  ohne Gott. Sie sind die Herren oder Herrinnen in ihrem Leben. Das ist praktischer Atheismus, so hat es der britische Theologe John Stott einmal genannt. Man glaubt zwar an Gott, im Leben aber spielt er keine Rolle.

Wie Jesus so rechnet auch Paulus ab mit den Frommen, die ihre eigenen Gebote machen,  die genau meinen zu wissen, worauf es ankommt und andere danach beurteilen. Diese stolzen Frommen stellen sich anderen in den Weg anstatt anderen den Weg zu Gott zu zeigen. Du Jude,  du Mensch, der du Gott kennst: Nicht nur die anderen, du selsbt hast Gottes Gericht verdient! Du hättest es besser wissen müssen. Du kanntest Gott und hast dich ihm nicht unterstellt! Du hast ein noch viel härteres Gericht verdient.

Keiner kann sagen „Ich bin nicht schuldig!“ Wenn der Herr kommt, wenn du einmal vor Gott stehst, dann gibt es nur ein Urteil: Schuldig! Was hast du denn gedacht? Denkst du, du wärst kein Sünder und hättest das Gericht nicht verdient?

In Römer 3 kommt die große Wende: Alle sind schuldig. Aber alle können gerettet werden.   Alle bekommen das Leben mit Gott geschenkt. Die einzige Voraussetzung ist, dass sie das Geschenk auspacken, dass sie es annehmen, dass sie Gott vertrauen, dass sie darauf vertrauen, was er durch Jesus getan hat. Wenn der Herr wiederkommt und du mit Jesus verbunden bist, wenn du einmal vor Gott stehst, dann gibt es nur ein Urteil: Begnadigt! Schuldig! Aber begnadigt. Gott selbst hat die Strafe abgebüßt. Er hat schon alles bezahlt.

Wenn du vor Gott stehst, dann wird der Richter dem Ankläger rechtgeben: „Ja, dieser Christ/ diese Christin hier ist des Todes würdig. Er ist schuldig zu sprechen.“ Aber dann zieht er seine Robe aus,  geht zur Anklagebank, stellt sich neben den, der mit Christis verbunden ist, und sagt: „Aber ich bin schon für ihn gestorben!“

Römer 4 nimmt Paulus Abraham als Beispiel.  Abraham, der Urvater Israels, er ist ein Beispiel. Abraham wurde aus Glauben vor Gott gerecht. Das Gesetz,  die Gebote Gottes, sie können nicht retten. Das Gesetz gab es noch gar nicht! Abraham hat Gott vertraut  und im Vertrauen auf Gott sein Leben geführt. Das hat ihm zur Gerechtigkeit gereicht. Abraham ist „der Vater aller Glaubenden“. So wie er, so wirst auch du gerettet allein aus Glauben. Lebe dein Leben im Vertrauen auf deinen Herrn.

Römer 5 erinnert Paulus an Adam. Mit Adam kamen die Sünde und der Tod in die Welt. Adam ist versuchlich leicht verführbar. Er ist bereit, Gottes Wege zu verlassen, wenn er sich einen Gewinn davon verspricht, wenn es seinem Leben zu nützen scheint. Adam und Eva haben Lust nach einer Frucht. Die würde gut schmecken. Die würde ihr Leben bereichern. Adam kannte Gott. Aber er dachte: Man muss doch nicht alles so ernst nehmen. Im Großen und Ganzen leben sie ja so, wie Gott es will. Aber diese Frucht, die wollen sie haben, auch wenn Gott gesagt hat, dass sie gerade diese nicht essen sollten.

Ist Adam ein Dummkopf? Schütteln wir den Kopf über ihn? Sind Eva und Adam einfach Dummköpfe, die sich ihr Leben versaut haben? Nein. Adam steht für alle Menschen. Adam steht für alles menschliche Begehren. Er ist nicht nur ein Mensch in der Vergangenheit. Adam ist der natürlich Mensch, der Mensch wie er geschaffen ist. Adam ist der unerlöste Mensch, der auch in mir und in dir lebt, mit all seinen Wünschen, seinem Egoismus, seinem Stolz. Adam ist der begehrende Mensch  in uns, der uns ins Verderben treibt. Er zieht dich von Gott weg.  Er weiß, was Gott will, aber er will es nicht tun. Adam, das bist auch Du. Der Mensch in dir, der sich Gott nicht unterstellen will.

Fleisch nennt Paulus diesen natürlichen ichbezogenen Menschen. Das klingt derb. Der Mensch als „ein Stück Fleisch“. Das ist auch derb. Der Mensch als Tier, das seinen Trieben gehorcht. Der Mensch als Untier, das immer oben auf sein will, alles beherrschen will. Der Mensch, den vom Affen nur der aufrechte Gang unterscheidet. Mehr nicht. Ein nackter Affe. Fleisch.

Mit Adam kamen die Sünde und der Tod in die Welt, schreibt Paulus. Mit Jesus kommt die Gnade und das Leben in die Welt. Jesus ist der neue Adam, der Anfang einer neuen Schöpfung. Darum geht es in Römer 5. Das Fleisch, der natürliche Mensch, lebt in Kreisläufen der Sünde. Paulus nennt es „das Gesetz des Fleisches“. Die Gesetzmäßigkeit des natürlichen Menschen. Der natürliche Mensch kann gar nicht nicht sündigen.

Und auch in Römer 5 schon wieder die Wende: Gott aber hat Frieden geschenkt. Er hat uns angenommen, als wir noch Sünder waren. Er hat uns zu seinen Freunden gemacht, als wir noch seine Feinde waren. Christus starb für uns als wir noch Sünder waren. Wie aber kommt dieses neue Leben in unser Leben?

In Römer 6 geht es dann um die Taufe. In der Taufe  stirbt  der alte Mensch, schreibt Paulus. Da wird der neue Mensch geboren. In der Taufe geben wir unseren alten Menschen in den Tod, damit der neue Mensch leben kann. In der Taufe bekomme ich Anteil am Kreuz Jesu, an der Gnade Gottes,  und an der Auferstehung Jesu, am ewigen Leben also.

Die Taufe ist das persönliche Pfingsten. Wenn Pfingsten die Geburt der Kirche Jesu genannt wird, dann ist die Taufe deine Geburt als Kind Gottes. Die Schwangerschaft geht der Geburt voraus. Irgendwann ist dein Glaube  gezeugt worden. Irgendwann hast du angefangen selber zu glauben. Da ist etwas gewachsen vor der Taufe. Aber jetzt willst du selber atmen. Jetzt willst du aus eigenen Stücken Gott gehören  und seinen Geist empfangen. Die Taufe ist das Zeichen, dass du das Geschenk annimmst.

Martin Luther hat gesagt, dass der alte Adam in der Taufe ersäuft wird. Aber er hat auch gesagt: „Das Biest kann schwimmen.“ Eigentlich sind wir der Sünde abgestorben, aber die Lust danach ist nicht tot. „Der alte Adam kann schwimmen.“ Darum geht es dann in Römer 7:

Durch die Taufe atmet ein neuer Geist in uns. Aber der  alte Adam  atmet auch noch. Wir können noch sündigen. Und wir sündigen noch. Wir, oder etwas in uns, will  sogar noch sündigen.  Wir stehen noch in einem Kampf. Das Fleisch, der alte Adam, er will uns zur Sünde treiben. Unsere Begierden und Wünsche, unser Stolz, der Herrschaftsanspruch über uns selbst in uns, das Fleisch streitet gegen das Neue, was in uns wachsen will. So kommt es, dass wir Dinge tun, die gegen unsere eigene Überzeugung stehen, die wir hassen. Wir sind ungehorsam und nicht gehorsam. Wir sind unfrei und nicht frei. Das Biest kann schwimmen.

Das Gesetz kann uns der Sünde überführen. Ich erkenne an Gottes Geboten, dass ich  Sünder*in  bin. Aber es hat keine Kraft, uns davon zu befreien. Gottes Gebote verändern den Menschen nicht! Umgekehrt. Das Gesetz stachelt uns zur Sünde an behauptet Paulus. Wie bei Adam und Eva. Wir hören oder lesen, wir verstehen,  was wir nicht tun sollen,  und bekommen gerade dadurch Lust darauf. Wir wollen uns selber behaupten gegen Gott.

Niemand bekommt ein neues Herz durch Gebote, durch Druck, indem ihm immer wieder gesagt wird, wie verkehrt er ist. Das nackte Gesetz treibt den Menschen noch mehr in die Sünde. Da fehlt die Liebe, da fehlt die Annahme, da fehlt das Vertrauen. Da fehlt der Heilige Geist. Der natürliche Mensch ist Fleisch. Und  das Fleisch kann nicht nicht sündigen.

Auch in Römer 7 aber zeigt sich aber schon die Wende. Wir sind dem Gesetz gegenüber tot, schreibt Paulus. Wenn jemand Macht über mich hat, ich aber sterbe, dann hat er keine Macht mehr über mich. Ich bin in der Taufe mit Christus gestorben. Darum hat das Gesetz keine Macht mehr über mich. Wir leben nicht mehr nach dem Gesetz immer nach dem Buchstaben, schreibt Paulus. Der Heilige Geist macht uns fähig nach Gottes Willen zu leben. Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig.

Und dann kommt Römer 8. Die Krone des Römerbriefes. Ich werde gleich die Verse
1-9 lesen. Bitte lesen sie zuhause aber das ganze Kapitel einmal. Da geht es um Hoffnung für die ganze Schöpfung. Es geht darum, dass der Heilige Geist uns beim Beten unterstützt, uns übersetzt, unsere Gedanken zu Gott bringt. Es geht um Heilsgewissheit. Nichts kann uns trennen kann von der Liebe Gottes,  die er uns in Christus geschenkt hat. Das ist großartig. Ich lese uns jetzt aber nur Römer 8, die Verse 1-9. Hier nimmt Paulus alle Fäden aus den Kapiteln vorher noch einmal auf:

1 So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. 2 Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. 3 Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott: Er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch, 4 damit die Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, in uns erfüllt werde, die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.
5 Denn die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich sind, die sind geistlich gesinnt. 6 Denn fleischlich gesinnt sein ist der Tod, doch geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede. 7 Denn fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch sich dem Gesetz Gottes nicht unterwirft; denn es vermag’s auch nicht. 8 Die aber fleischlich sind, können Gott nicht gefallen. 9 Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, da ja Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.

Das neue Leben, das Paulus in Römer 1-7 schon entwickelt hat, soll durch den Heiligen Geist bei uns ankommen. Das sollen wir wissen. Das soll unsere Freude sein.

Erstens: Es gibt keine Verdammnis mehr. Keine Verurteilung zu einer Strafe. Auch wir werden noch einmal vor Gott stehen. Dann werden wir unsere ganze Sünde erkennen. Dann werden wir beurteilt werden, aber nicht verurteilt. Das wird wohl für jeden von uns ein Moment der Schmach werden, dass wir uns vor Gott schämen, wenn wir sehen, wie sehr wir oft gefehlt haben, wie wenig wir seine Liebe gelebt haben. Aber wir brauchen keine Angst mehr haben, abgewiesen und verurteilt zu werden.

Zweitens: Es gibt ein neues Gesetz in uns, das Gesetz des Geistes. Durch den Geist erkennen wir Gottes Willen. Wir wachsen darin. Der Geist treibt uns zu Christus. Er macht Christus in uns stark. Das Fleisch hat uns nach unten gezogen. Der Geist zieht uns nach oben. Gottes Geist heiligt uns. Er macht das neue Leben in uns stark. Was das Gesetz nicht vermochte, das hat Gott für uns getan. Er hat uns seinen Sohn gesandt.  Und er hat uns seinen Geist gesandt. Nicht mehr der alte Adam in uns, sondern der Heilige Geist bestimmt nun, wie wir leben.

Aber das bleibt: Wir werden nicht zu Marionetten Gottes. Paulus stellt zwei Lebenswege gegeneinander. Man kann  fleischlich oder geistlich leben. Man kann immer noch so leben, wie es der alte Adam von uns fordert. Oder man lebt so, wie der Geist Christi uns treibt. Paulus mahnt: Die nach den eigenen Wünschen leben, so die Gute-Nachricht-Übersetzung, sie können Gott nicht gefallen! Ihr aber lebt nicht mehr so, dass ihr euren eigenen Wünschen folgt. Ihr lebt vom Heiligen Geist getrieben. „Die der Geist Gottes treibt, sie sind Gottes Kinder!“ (V 14)

Jeder, der mit Jesus lebt, hat auch den Heiligen Geist. Ohne Gottes Geist könnten wir gar nicht glauben. Die Frage ist, ob der Heilige Geist uns immer hat! Aber wir können immer noch auch sündigen. „Der Heilige Geist ist ein Gentleman“ hat Adolf Pohl formuliert. Wie ein Gentleman sich anbietet: „Darf ich ihnen in den Mantel helfen?“ so fragt auch der Heilige Geist: Darf ich ihnen in den heutigen Tag helfen? Ist es dir recht, dass ich dich mit Jesus verbinde? Möchten sie heute hören, was er sagt? Wir müssen dem Heiligen Geist die Zügel überlassen.

Ich schließe mit einer kleinen Geschichte. Ein Gleichnis, das Sören Kierkegaard vor gut 150 Jahren erzählt hat, um zu erklären, was Pfingsten ist:

Es war einmal ein reicher Mann, der zwei makellose Pferde kaufte. Immer wenn er Lust hatte, ritt er mit ihnen durch die Gegend. Aber nach zwei Jahren erkannte man die Pferde kaum wieder. Die Augen waren matt, das Fell ohne Glanz, der Gang hatte keine Haltung mehr. Schnell waren die Pferde erschöpft. Oft wurden sie störrisch und wollten nicht mehr weiter. Der Mann wusste keinen Rat und übergab seine Pferde dem Kutscher des Königs in die Pflege.

Der Kutscher ritt und fuhr sie einen Monat lang. Und das Erstaunliche passierte: Nach diesem einen Monat musste man sagen: Es gab in der ganzen Gegend kein Paar Pferde, dessen Blick so feurig war, dessen Haltung so schön, kein Paar Pferde, das so mühelos 10 Kilometer am Stück laufen konnte. Was war der Grund?

Es lag einfach an dem, der die Pferde geritten hat. Der reiche Mann hatte keine Ahnung, wie man Pferde behandelt. Der Kutscher des Königs aber war ein Experte, der genau wusste, was gut für die Pferde war. Es kommt immer darauf an, wer die Zügel hält. Pfingsten heißt: Es gibt einen königlichen Kutscher, der die Zügel unseres Lebens in die Hand nehmen will. Es gibt eine Macht, die uns sieht, die uns kennt, die uns versorgt, die unser Leben so bestimmen kann, dass wir Gottes beste Pferde im Stall erden können.

Amen.

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