Römer 8, 25-29 Mit Hoffnung leben

Predigt zum 85. Geburtstag

Lieber M.,

du hast dir einen Vers aus dem Römerbrief ausgesucht für meine Ansprache.
Ich lese ihn im Zusammenhang. Römer 8, 25-29

25 Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld. 26 Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt, sondern der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen. 27 Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er tritt für die Heiligen ein, wie Gott es will. 28 Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. 29 Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.

Als Christen hoffen wir auf etwas, was wir nicht sehen. Diese Hoffnung soll nicht theoretisch oder innerlich bleiben. Sie soll unser Leben gestalten.

Dir spürt man es ab, M., dass du eine Hoffnung hast. Und sie gestaltet dein Leben. Wie du mit Menschen umgehst. Wie du Schweres in Deinem Leben verarbeitest oder annimmst. In deiner Großzügigkeit anderen Menschen gegenüber. Du strahlst Hoffnung aus. Freude. Zuversicht.

Das ganze Kapitel Römer 8 wird auch das Hohelied der Hoffnung genannt. Dennoch ist das Leben im Glauben nicht leicht. Auch darum geht es in diesem wunderbaren Kapitel in Römer 8. Wir sind schwach. Wir sind Teil dieser Schöpfung. Die Schöpfung leidet. Sie vergeht. Sie kennt den Tod und die Trauer. Die ganze Schöpfung seufzt, und wir seufzen mit ihr, schreibt Paulus. Krankheit, Tod, Leiden, Schwäche, Zweifel sind auch Christen nicht fremd. Es gibt Erfahrungen im Leben, die uns die Sprache verschlagen. Das verstehen wir nicht. Das tut weh. Und wir werden sprachlos.

Selbst beim Beten finden wir dann nicht die richtigen Worte. Gerade beim Beten finden wir dann nicht die richtigen Worte. Paulus weiß davon. Worte reichen dann nicht, auszudrücken, wie es uns geht. Sie können unsere Fragen, unsere Sehnsüchte, unseren Schmerz nicht fassen. Paulus weiß davon. Nur schweigend können wir Gottes Nähe suchen. Wir verstehen Gott nicht und uns selbst nicht. Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll. Wir wissen von uns aus nicht, was gut und richtig ist.

Es gibt Erfahrungen im Leben, die verschlagen einem die Sprache. Wir wissen nicht, wie wir beten sollen. Uns fehlen die Worte. Und Paulus sagt, wir brauchen auch keine Worte! Liebende verstehen sich ohne Worte. Gott jedenfalls versteht uns ohne Worte. Er sieht uns, er liest uns von ferne, er weiß unsere Gedanken und Gefühle. Er weiß, wie hilflos wir sind. Er kennt unsere Gedanken von ferne. Er kennt unsere Verfehlungen.

Gott weiß nicht nur, bevor wir es aussprechen, was wir sagen wollen. Er weiß auch, wofür wir keine Worte finden. Und dann, sagt Paulus, dann vertritt uns der Heilige Geist. Er redet für uns. In unserem Sinn. Und in Gottes Sinn.

„Der Heilige Geist, das ist Jesus in uns“, hat mir als Student ein alter Pastor gesagt. Der Heilige Geist, dass ist der Vater und der Sohn in uns. Und da wohnt er. Gottes Geist ist nicht auf Durchreise bei uns. Er wohnt in Menschen, die mit Jesus leben, die Gottes Kinder sind.

Im Grunde können wir alle nicht beten. Nie. In keiner Situation. Zumindest nicht angemessen.  Nicht so weise, liebevoll, hingegeben, geduldig, wie des Gott entspricht. Aber wir können immer beten! Jederzeit. Wir haben einen Übersetzer in uns. Gottes Geist vertritt uns im Gebet. Ob wir seufzen, jubeln, weinen oder tanzen: Gott versteht uns! Mehr als wir selbst. Er liebt uns. Mehr als wir selbst.

Man könnte ja meinen, Christen sind immer fröhlich, immer fest, immer voller Vertrauen. Sie hoffen doch, was sie nicht sehen. Sie dürfen sicher sein, dass sie Gottes Kinder sind. Aber auch Christen seufzen mit der ganzen Schöpfung und warten auf ihre Erlösung. Du hast auch Schweres erlebt, M. Ich möchte hier an deine schwersten Zeiten nicht erinnern. Aber auch heute noch erlebst du Schweres. Jedes Jahr in den letzten Jahren hattest du deine Brüche, Hüfte, Beine, Rippen, ich weiß nicht, was es alles war. Und es gab auch eine Situation, in der du wirklich verzagt warst, geklagt hast, Gott nicht mehr verstanden hast, gehadert hast.

Und jedes Mal bist du wieder auf die Beine gekommen. Körperlich, noch schneller aber seelisch. Keiner, niemand, der dich kennt, würde sagen: „M., das ist doch der, der so schnell jammert. M., das ist doch der, der immer von seinen schweren Tagen und Unfällen erzählt.“ Nichts davon. Du kennst das Seufzen der Kreatur. Aus nächster Anschauung. Früher schon, schmerzlich, und heute. Und du strahlst Freude aus, Hoffnung, Zuversicht.

Und du hast andere Menschen im Blick. Sobald du wieder laufen kannst, besuchst du ältere Mitglieder unserer Gemeinde, die einsam sind, die schwach sind. Auch Jüngere hast du im Blick, lädst sie gerne einmal zum Essen ein. Und du rufst Menschen an, die dir fehlen, die nicht mehr zur Gemeinde kommen.

28 Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.

Römer 8,28. Diesen Vers hast du ausgesucht. Das heißt nicht, dass wir vor Leiden bewahrt werden. Da ist auch nichts schön zu reden. Was es auch Schweres im Leben gibt: Es tut Christen genauso weh wie Menschen, die unsere Hoffnung nicht teilen. Aber unser Herr nimmt teil daran! Er seufzt mit uns. Er kennt unsere Schmerzen. Aber er ist in uns, steht uns bei, tröstet, erinnert uns an Christus, vielleicht auch an seine Leiden. Er wird uns nie hängen lassen. Er wird nie ungnädig, unbarmherzig, untreu.

Ich habe, du hast, vielleicht auf 1000 Fragen keine Antwort. Aber er wird dich zum Ziel bringen! Er wird mich und dich zum Ziel bringen. Darum bleiben wir dran an ihm, weil er in uns wohnt. Weil sein Geist mich beim Vater vertritt. Weil Jesus der Sieger ist über Sünde, Tod und Teufel. Das dürfen wir wissen, wenn uns die Worte fehlen: Er wird uns ans Ziel bringen. Weil er uns erwählt hat. Weil er uns berufen hat.

Paulus schreibt hier von Erwählung oder Berufung, um die Christen in Rom zu trösten, aufzurichten. Das ist ein seelsorgerlicher Zuspruch: Gott wollte dich. Gott hat dich gerufen. Gott hält dich. Weil er es will, lässt er dich nie mehr los. Was Gott mit dir angefangen hat, das führt er auch zu Ende. Er führt dich ans Ziel! Es ist seine Entscheidung für uns die uns trägt. Unabhängig von unseren Gefühlen. Unabhängig von wechselnden Lebenssituationen.

Martin Luther hat einmal gesagt: Wer Gottes Gnade annimmt, wer mit Jesus lebt, der wird mit Jesus „ein Kuchen“. Stell dir einen Kuchen vor: 300 Gramm Mehr, drei Eier, 30 Gramm Zucker, 1 Hefewürfe, 1 Banane. Der Kuchen wird gebacken. Noch warm steht er vor dir. Und jetzt stell dir vor, da sagt jemand: Gib mir das zweite Ei aus dem Kuchen. Das geht nicht. Es ist alles ein Kuchen. Das Ei ist einverleibt. Alles ist verbunden. So kann uns nichts mehr von Christus trennen. Paulus schreibt das wenige Verse weiter:  Nichts kann uns scheiden von der Liebe Christi!

32 Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? (…) 38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.

Gott hat mich mit Christus zusammengebacken. Gott hat sich entscheiden, mich zu lieben, und diese Entscheidung hält er ewig durch. Selbst der Tod scheidet uns nicht von seiner Liebe!

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen. Diesen Satz kann man missverstehen.    Das Beste ist nicht immer das Schönste. Das Beste ist nicht immer das, was wir uns hier für unser Leben wünschen. Natürlich erleben Christen auch, dass Schweres sich zum Guten wenden kann. Man wächst vielleicht an einer Lebenskrise. Man wird barmherziger, demütiger, geduldiger.

Vielleicht kennt ihr diesen Satz: „Alles wird am Ende gut, und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende!“ Das stimmt gar nicht selten schon in diesem Leben. Aber die anderen Erfahrungen gibt es auch: Krankheit, die bleibt. Schwäche, die nicht aufhört. Wunden, die nicht heilen. Alle, wirklich alle Tränen werden erst abgewischt, wenn Jesus wiederkommt, wenn Gott sein Reich aufbaut und wir seine Herrlichkeit sehen.

Christen hoffen auf etwas, was sie noch nicht sehen. Du bist jemand, M., der diese Hoffnung ausstrahlt.
„Du tanzt schon nach der Melodie, die im Himmel gespielt wird.“ Gott sei Dank dafür. Er hat es dir geschenkt.

Und das darfst du wissen und das dürfen wir wissen: Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes. „Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?

Amen

 

Gebet

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