Den Sabbat heiligen

Friedenshof Kassel. Allianzgebetswoche, 13.01.2022
Norbert Giebel

Liebe Geschwister aus Kassel,

ich finde es immer noch beachtenswert, dass unsere Geschwister aus der Schweiz uns den Sabbat als Thema für diese Woche gegeben haben. Was haben sie sich dabei gedacht? Ist der Sabbat ein Thema, das wir vernachlässigt haben, das wir so dringend brauchen?

Der Sabbat steht für Ruhe. Haben wir zu wenig Ruhe als Christen?  Leben wir zu wenig aus der Stille? Und aus dem Hören? Der Sabbat steht für Abstand. Loslassen. Aufhören. Seinen Alltag, seine Arbeit, alles, was uns so im Leben beschäftigt, einen Tag lang beiseite tun. An diesem Tag geht es einfach mal um Gott und um mich vor Gott.

In der Synagoge wird am Sabbat keine einzige Bitte ausgesprochen. Es wird gelobt, angebetet, erinnert. Die uns sonst so wichtigen eigenen Anliegen werden losgelassen, hintenan gestellt. Nehmen wir uns als Christen zu wichtig? Müssen wir darum an den Sabbat erinnert werden? Nehmen wir unsere Arbeit, unsere Sorgen, was wir tun und leisten können zu wichtig? Definieren wir uns als evangelische Christen über unsere Werke? Mehr als über die Gnade?

Wer den Sabbat hält, für uns Christen möchte ich sagen, wer die Ruhe und den Abstand bei Jesus sucht, am Samstag, am Sonntag, mitten in der Woche, egal, der findet und stärkt seine eigentliche Identität: In der Ruhe, im Abstand, erleben wir uns als geliebtes Kind Gottes aus Gnade. Die Freude an Christus ist unsere Kraft. Sie ist unser Trost und unsere Hoffnung. Ich lese uns das Sabbatgebot noch einmal vor, wie wir es im 5. Buch Mose Kapitel 5 finden:

12 Den Sabbattag sollst du halten, dass du ihn heiligst, wie dir der Herr, dein Gott, geboten hat. 13Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. 14Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Rind, dein Esel, all dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt, auf dass dein Knecht und deine Magd ruhen gleichwie du. 15Denn du sollst daran denken, dass auch du Knecht in Ägyptenland warst und der Herr, dein Gott, dich von dort herausgeführt hat mit mächtiger Hand und ausgerecktem Arm. Darum hat dir der Herr, dein Gott, geboten, dass du den Sabbattag halten sollst.

Den siebten Tag soll Israel heiligen. Sie sollen diesen Tag für Gott reservieren, ihn aus den anderen Tagen herausnehmen. Sabbat und Sonntag sind nicht dasselbe. Der Sabbat war im Judentum ein heiliges Gesetz mit vielen Einzelgeboten. Gebote, was man nicht tun darf und Gebote was man tun soll am Sabbat. Nirgends werden diese Gebote im Neuen Testament auf Heiden, auf Heidenchristen, übertragen oder von ihnen gefordert.

Aber auch die Christen haben sehr schnell auch einen Tag gefunden, den sie für Gott reserviert haben, wo sie Gemeinschaft mit dem Auferstandenen haben wollten: Es ist der erste Tag der Woche, der erste Tag in ihrem Alltags, der Tag nach dem Sabbat; für uns wäre es der Montag gewesen. Aber der Sonntag war nie dasselbe wie der Sabbat. Es gab keine Gebote, was man am Sonntag tun oder lassen sollte.

Zunächst haben die Christen sich lediglich zu ihren Gottesdiensten getroffen am ersten Tag der Woche. Später wurde auch der Sonntag ein Tag, der ähnlich dem Sabbat Gott gehören sollte.  Der Sonntag ist sozusagen der „evangelische Sabbat“. Der Sabbat ins Evangelium getaucht. Ohne Gesetze, ohne Gebote. Ein Tag für die Menschen. Ein Tag für Gott.

Nicht der alte Sabbat aber Ruhe zu suchen, loszulassen, sich nicht für so wichtig zu nehmen, Zeiten für Gott zu reservieren, bei Gott Abstand zu finden von all dem, was uns sonst so wichtig erscheint im Leben, das ist immer noch ein Gebot Gottes. Kein Gesetz, sondern eine Wohltat.

Einen Akzent möchte ich heute noch herausheben: Der Sabbat als eine Zeit, sich zu erinnern, zu gedenken, sich bewusst machen, wovon ich lebe, was Gott mir geschenkt hat. Israel sollte sich erinnern an die Gefangenschaft in Ägypten. Da konnten sie keinen Sabbat feiern. Da mussten sie arbeiten. Sieben Tage in der Woche. Da waren sie Sklaven. Sie waren versklavt und konnten sich selber nicht befreien.

Israel sollte sich erinnern, dass Gott ihr Schreien gehört hat. Israel sollte sich erinnern, dass Gott eingegriffen hat. Er hat sie befreit. Wunderbar befreit. Er hat sich zwischen sie und ihre Feinde gestellt. Israel ist was es ist, weil Gott das Volk erwählt und befreit und durch die Wüste in ihre Heimat geführt hat. Dass sie das nicht vergessen, dass sie Gott nicht vergessen, der diese große Macht und Liebe zu ihnen hat: „Darum hat dir der Herr, dein Gott, geboten, dass du den Sabbattag halten sollst!“ endet das Sabbatgebot in 5. Mose 5.

Das ist nicht unsere Geschichte. Aber wir sollen oder dürfen uns am Sonntag, dann, wenn wir Zeit für Gott reservieren, bewusst machen, woher wir kommen, was Gott uns geschenkt hat, was er uns in Christus geschenkt hat und schenken wird. In uns gehen, in Christus gehen und uns freuen an ihm, neu Vertrauen und Hoffnung schöpfen, und uns gewiss machen, dass Jesus unsere Bitten hört, dass er alle Macht hat und für uns eingreift. Sabbat und Sonntag als ein Tag des Gedenkens.

Eine noch nicht genannte Konsequenz hat das Gedenken noch: Der Sabbat hat einen sozialen Charakter: Denkt daran, dass auch ihr Slaven in Ägypten wart. Am Sabbat sollt nicht nur ihr ruhen, sondern auch eure Tochter,  euer Sohn der Knecht und die Magd, auch dein Esel und dein ganzes Vieh und,  ganz zuletzt genannt, auch die Fremdlinge, die Ausländer, die bei dir wohnen.

Auch das ist am Sonntag so. Da gibt es kein Reich und Arm, kein Jung und Alt, keine Familienmenschen und Singles, keine schicken Models und andere, sie es nicht schaffen, sich schöne Kleider zu kaufen. Vor Gott sind alle Menschen gleich geliebt, gleich angenommen. Der Sonntag hat auch im Neuen Testament eine soziale Dimension. Arm und Reich haben geteilt, was sie hatten. Alle haben beim Abendmahl zusammen gegessen. Witwen wurden versorgt. Arme sollten nicht benachteiligt werden. Man sollte auf sie warten mit dem Abendmahl, bis ihre Herren sie frei ließen und sie kommen konnten. (vgl. 1. Kor 11)

Warum haben unsere Geschwister aus der Schweiz den Sabbat als Thema dieser Woche gewählt. Ich weiß es nicht. Ich war nicht dabei. Aber diese beiden Akzente will ich heute unterstreichen.

Der Sonntag ist auch ein Geschenk Gottes an uns.  Nutzen wir ihn dazu. Als ein Tag des Gedenkens sein, der Besinnung auf den, der uns befreit hat. Und als ein Tag der sichtbaren, erlebbaren Einheit in Christus. In Christus gilt nicht mehr, Jude oder Heide, Sklave oder Freier, Mann oder Frau. Sie sind alle eins in Christus. (Vgl. Gal 3,28)

Amen

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