Beten im Namen Jesu

Wer von euch hat schon einmal gebetet? Jeder von uns hat schon einmal gebetet. Ich vermute, man wird kaum einen Menschen finden, der sagen würde, er hätte noch nie gebetet. In der Not, ein Stoßgebet, in der Angst, im Schrecken.

Menschen wissen, dass es ein Du gibt, zudem man rufen kann. Ein transzendentes Du. Nicht von dieser Welt. Nenn wir es „Urgrund allen Seins“, oder nennen wir es Gott. Dass Menschen beten, und wenn es nur ein hilfloser Ruf, ein Schrei in der Not ist, das ist ein Zeichen dafür, dass sie wissen, dass sie nicht allein auf dieser Welt sind. Jesus sagt viel dazu, wie wir beten können. Auch als seine Verhaftung und sein Tod kurz bevorstehen, ermutigt er seine Schüler noch einmal, zu beten. Ich lese aus dem Johannesevangelium Kapitel 16 die Verse 23-33:

23 Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er’s euch geben. 24 Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr empfangen, auf dass eure Freude vollkommen sei.
25 Das habe ich euch in Bildern gesagt. Es kommt die Stunde, da ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater. 26 An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde; 27 denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin. 28 Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater.
29 Sprechen zu ihm seine Jünger: Siehe, nun redest du frei heraus und nicht in einem Bild. 30 Nun wissen wir, dass du alle Dinge weißt und bedarfst dessen nicht, dass dich jemand fragt. Darum glauben wir, dass du von Gott ausgegangen bist.
31 Jesus antwortete ihnen: Jetzt glaubt ihr? 32 Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine, und mich allein lasst. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir. 33 Dies habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Was sagt Jesus zum Beten?
Erstens: Wir dürfen bei Gott zu unserem Vater kommen. Wir sagen nicht nur Vater zu ihm. Er ist es auch. Voller Barmherzigkeit, Liebe, gütig ist er. Bei ihm sind wir herzlich willkommen. Wir brauchen keine Tricks anwenden oder einen scheuen Abstand wahren. Wir sind willkommen, eingeladen. Wir werden gesehen und sind geliebt.

Gott ist nicht für alle Menschen der Welt Vater. Er ist der Vater für die, die glauben, dass er seinen Sohn gesandt hat, dass Jesus von ihm gekommen ist und wieder zu ihm gegangen ist. Dass er unser Vater ist, im allerbesten Sinn väterlich zu uns ist, das ist ein Wunder, ein Geschenk. Das ist eine ganz neue Welt der Beziehung zu ihm. Absolut nicht selbstverständlich. Wer zu Gott Vater sagt, der weiß schon etwas vom Kreuz, dass er alles für uns getan hat, dass er bereit ist mit und für und an uns zu leiden. Dass wir aus Gnade seine Kinder sind.

Wir dürfen Vater zu ihm sagen. Unser Vater. Und Jesus sagt hier, dass wir selbst zu ihm kommen und ihn bitten dürfen. Ohne Vermittlung. Wir müssen niemanden zu ihm mitbringen, der für uns bittet, und wir müssen auch nicht von jemand anderem zu ihm gebracht werden. „Ich sage euch nicht“, sagt Jesus, der zum Vater zurückgeht, „ich sage euch nicht, dass ich für euch bitten werde. Der Vater selbst hat euch lieb.“ Wir haben einen ganz eigenen direkten Zugang. Wozu? Wohin? Zu seinem Herzen. Sein Herz ist für uns offen. Er sieht uns an, er hört uns zu, er berührt uns, er redet zu uns, weil er voller Lieber zu uns ist. Sein Herz ist für uns offen.

Zweitens sagt Jesus, wir sollen „in seinem Namen“ beten. Dann wird Gott uns alles geben, worum wir bitten. Was heißt das, in Jesu Namen beten? Das ist keine Floskel, keine Zauberformel. Damit ist nicht gemeint, dass ich ihm meine Anliegen bringe, meine Wünsche vortrage, dass ich sage, was ich für richtig und wichtig halte und dann am Ende sage „In Jesu Namen, Amen!“, und dann passiert das auch. In Jesu Namen beten heißt, in seinem Geist beten. So beten, wie er beten würde. In seinem Willen und unter seiner Herrschaft beten. Darum bitten, was Jesus am Herzen liegt. Auf seiner Spur beten.

Wer im Namen Jesu betet, der kann nicht nur für sich und seine Familie und seine Gemeinde oder auch für sein Land beten. Wer im Namen Jesu betet, kann nicht egoistisch beten. Oder gruppenegoistisch. Wer in seinem Namen betet, betet in der Liebe für andere Menschen, in der Liebe zu dieser Welt, in dem Wissen, dass Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. (vgl. 1 Tim 2,4)

Unser Wille stimmt nicht einfach mit Gottes Willen zusammen. Auch dann nicht, wenn wir es denken, wenn es für uns völlig klar ist, was Gott in einer bestimmten Situation oder mit bestimmten Menschen vorhat. In Jesu Namen beten kann man nicht, ohne Hören, auf Gott hören, seinen Willen suchen, Zeit mit Gott zu haben. Wir bringen unser Herz sozusagen an sein Herz. Wir nehmen auf, was ihm am Herzen liegt.

Das kann uns verändern. Das wird unseren Blick verändern. Da bekommen wir eine heilige Ordnung in unser Beten hinein. Dann beten wir nicht nur ganz schnell mal eben für unseren Gemeindehaushalt, für die nächste Predigt, für unseren Hauskreis und für gutes Wetter beim Gemeindeausflug. Letztlich kann man nur im Namen Jesu beten, wenn das eigene Herz eins ist mit seinem Herzen. Das muss man lernen. Das geht nicht von heute auf morgen. Das geht schon gar nicht, indem man „im Namen Jesu“ wie eine Zauberformel verwendet. Man muss nur richtig beten, die richtigen Tricks anwenden, dann erhört er unser Gebet.

Man kann das Gebet „im Namen Jesu“ auch nicht testen. Ich probiere es mal aus. Ich bin ganz eins mit Gott. Gehorsam, demütig, lernbereit. Aber jetzt probiere ich es mal aus. Ich frage nicht weiter, was er will, ich sage, was ich will. Dann werden wir ja sehen, ob das stimmt, dass er Gebete im Namen Jesu erhört. Beten als Test. Stiftung Warentest nimmt nun auch Gott unter die Lupe. Das geht nicht. Das ist kein Gebet im Namen Jesu.

Ob Gott unser Gebet erhört liegt nicht daran, welche Worte wir verwenden, wie stark unser Glaube ist, ob wir auch konzentriert und ernst genug beten, ob wir oft genug, vielleicht alle 10 Minuten beten. Gott ist kein Automat, den man nur richtig bedienen muss. Unsere Haltung ist entscheidend! Die Jahreslosung für 2020 erinnert uns daran. Da betet ein Vater für seinen sehr kranken Sohn und sagt: „Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“ Ich glaube, ich komme, ich bitte, aber da ist auch Zweifel und nichts auf meiner Seite, womit ich dich zwingen oder gegen deinen Willen beeinflussen könnte. (Markus 9,24)

Das Gebet, das Jesus seinen Schülern beigebracht hat, das Vaterunser, zeigt, wie das Gebet im Namen Jesu aussieht:  Zuerst wird Gott die Ehre gegeben: „Vater unser im Himmel geheiligt werde dein Name!“ Du bist der Herr. Dir gehören wir. Du bist der Heilige, der Allmächtige, zu dem wir Vater sagen dürfen.

„Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden“. Deine Herrschaft soll kommen in mein Leben und in die Bereiche, die Anliegen, die ich dir jetzt nenne. Nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Alles, was ich sage soll unter dem Vorbehalt stehen: „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe.“

„Unser tägliches Brot gib uns heute. Vergib uns unsere Schuld, wie wir auch denen vergeben, die an uns schuldig werden. Führe uns nicht in Versuchung. Bewahre uns vor dem Bösen.“ Mein ganz kleiner Alltag hat Platz im Gebet. Mein Arztbesuch. Meine Prüfungen. Meinen Finanzen. Meine Arbeitskollegen und beruflichen Probleme. Aber sie sind nicht das Reich Gottes. Ich kann die ersten Teile nicht weglassen, den Blick auf Gott und seine Herrschaft, mein Herz an sein Herz zu halten.

Meine kleinen Anliegen sind auch ein Teil der Herrschaft Gottes. Wir dürfen mit allem zu Gott kommen. Er will uns innerhalb unserer Beziehung zu ihm, als Vater zu seiner Tochter oder seinem Sohn, beschenken. Aber wir können „ihn nicht von hinten ausprobieren“: Schenk mir Gesundheit, gute Prüfungen, ein gutes Gehalt, gute Freunde, dann will ich auch nach deiner Herrschaft fragen und dann werde ich dich anbeten als mein Gott und Vater.

Nicht wenige Christen beenden ihr Gebet gerne mit den Worten „In Jesu Namen, Amen.“ Oder so ähnlich. Das kann man so machen. Aber das sollte selbstverständlich sein. In wessen Namen könnten wir denn sonst zu Gott als unserem Vater kommen und ihn bitten? „In Jesu Namen“. Damit könnte man auch jedes Gebet beginnen. „In Jesu Namen kommen wir zu dir. Sein Wille geschehe, darum beten wir wie folgt…“

Jakobus hat in seinem Brief, den wir auch im neuen Testament haben, geschrieben: „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet! Wir dürfen uns sollen bitten im Gebet. Auch das Vaterunser ist ein Bittgebet. „Ihr habt nichts, weil ihr nichts bittet!“ „Bittet, so wird euch geben!“ Hat Jesus gesagt! (Matth 7,7) Bei Jakobus geht es aber noch weiter: „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet! – Ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr um eurer selbst willen bittet!“ Eure Bedürfnisse, eure Ziele, eure Lust, sie sind der Motor eurer Gebete. Im Namen Jesu beten, das sieht anders aus. Da wird um seine Herrschaft gebeten.

Jesus redet hier zu seinen Schülern sehr offen. „Ich bin vom Vater gekommen und werde zum Vater zurückgehen. Bisher habe ich euch das nur in Gleichnissen gesagt. Jetzt sage ich es ganz frei heraus.“ Dazu nur ganz kurz. Wir denken oft, Jesus hat in Bildern, Beispielen und Geschichten gepredigt, um gut zu verstehen zu sein. Gleichnisse haben aber eine doppelte Wirkung. Sie können etwas verdeutlichen, sie können aber auch etwas verheimlichen, im Dunkeln lassen, nur andeuten. Seinen Schülern sagte Jesus bei anderer Gelegenheit, dass er in Gleichnissen redet, weil viele Hörer verstockt sind, sehen aber nichts erkennen wollen, hören aber nicht gehorchen. „Darum rede ich zu ihnen nur in Gleichnissen“ (Vgl. Markus 4, 10-12) Von Mose heißt es, dass Gott mit ihm direkt geredet hat, nicht nur „in dunklen Worten und Gleichnissen“ (4. Mose 12,8).  Gleichnisse zeigen etwas und verbergen etwas. Sie sind auch Rätzelworte. Sie wollen zum Nachdenken, zum Nachfragen und diskutieren einladen. Sie sprechen nicht einfach für sich.

„Jetzt können wir glauben.“ Sagen die Jünger. „Jetzt hast du offen gesprochen. Jetzt glauben wir!“ Und Jesus schickt seine Schüler nicht einfach nach Haus, beendet die Unterrichtsstunde. „Fein, nun geht nach Hause und glaubt!“ Jesus setzt seine Schulung fort: „Jetzt glaubt ihr also“ sagt er. „Ihr werdet zerstreut werden. Ihr werdet Angst in dieser Welt haben!“ Der Glaube bewahrt nicht vor Schwerem im Leben, vor Leid. Angst ist ein Urphänomen aller Menschen. Es gibt keine Menschen ohne Angst. Angst gehört zur Schöpfung. Auch Tiere haben Angst. Christen offensichtlich auch. Den Römern schreibt Paulus „Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in euren Leiden, beharrlich im Gebet. Nehmt euch der Nöte der Heiligen an, der Christen, die in Not sind.“ (Vgl. Römer 12,12)

Edvard Munch hat das berühmte Bild „Der Schrei“ gemalt. Viele werden es kennen. Ein Mann auf einer Brücke. Ein Schrei. Großer Mund. Dunkle Augen. Der ganze Mensch ist ein Schrei voller Angst. Ein Gesicht wie ein Totenkopf. Die Hände am Kopf geben den letzten Halt im Schreien. Als könnte der Kopf platzen.

„In der Welt habt ihr Angst“, sagt Jesus. Das ist kein Vorwurf. Das wird nicht kritisiert. Und das, was uns Angst macht, wird auch nicht einfach alles weggebetet. Das Leben ist zerbrechlich, angefochten, nicht einfach. Es gibt Feinde des Lebens. Ungerechtigkeiten, Wiederstände. Krankheiten, Unfälle. Christen sind davon nicht völlig ausgenommen. Jesus nachfolgen, auf seiner Spur, nach seinem Herzen zu leben, das ist auch nicht einfach. Da wird es Widerstände geben, Erfahrungen, die uns Angst machen.

Das griechische Wort für Angst meint nicht nur das Gefühl, das wir haben. Man kann es mit Anfechtungen, Bedrängnissen, Nöten, Leiden übersetzen. Äußere Dinge, die uns einengen wollen, die uns die Luft, die Hoffnung nehmen wollen. „In der Welt habt ihr Angst!“ Das bleibt. „Aber“, sagt Jesus, „seid getrost, seid mutig, lasst euch nicht gehen, gebt eurer Angst nicht das Recht über euch zu bestimmen, seid mutig ängstlich, unbeirrt, denn ich habe die Welt überwunden!“ Wir haben der Angst jemanden entgegen zu setzen. Wir sind ja nicht alleine darin. Wir dürfen vertrauen, Hoffnung haben. Gott wird uns führen. Der Vater ist bei uns. Der Sieger ist mit uns.

Wir brauchen und sollen nicht fliehen vor unserer Angst. Wir brauchen und sollen sie nicht leugnen oder verdrängen. Wir können getrost, mutig, auf sie zu gehen und sie ansehen. „Du willst mir Angst machen? Dann guck mal, wen ich hier mitgebracht habe! Jesus Christus hat die Welt überwunden.“ Okay. Ich kenne auch die Angst. Aber ich habe einen Vater im Himmel und einen Herrn, der der Sieger ist.

Das, was ich jetzt geredet habe, habe ich gesagt, damit ihr in Frieden lebt!“ sagt Jesus, denen die glauben, dass er von Gott gekommen ist und dass er zu Gott zurückgegangen ist (V33). Wir dürfen in Frieden leben. Wow. Das geht auch nicht per Knopfdruck. Aber das werden wir immer mehr lernen, wenn wir zum Vater gehen, ihn anbeten, unser Herz an sein Herz halten, das sein Herz unser Herz wird, und wenn wir unser Herz an seinem Herzen ausschütten.

Wann haben Sie zuletzt gebetet? Wir dürfen jederzeit mit allem zu unserem Vater kommen. Wir lernen, in Jesu Namen zu beten. Ein Leben ohne Angst und Enge ist uns nicht versprochen. Aber wir werden sehen, dass Gott unsere Gebete erhört!

Amen.

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