Lebt weise!

Epheser 5, 15-20     Lebt weise!

So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise,   und kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit. Werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist.  Sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

Ihr lieben Christen,

bitte  gebt euren Verstand nicht an der Garderobe ab! Glaube macht nicht dumm, auch nicht naiv oder weltfremd. Es gibt Christen,  die ihr Glaube unvernünftig macht. Sie meinen, da sie ja nun Kinder Gottes sind, dass Gott sich um sie kümmert, und hängen alle Vernunft an den Nagel. „Was soll ich fleißig sein und viel lernen? Ich habe einen großen Gott! Er wird für mich sorgen!“ „Was soll ich an mir arbeiten? Wozu brauche ich Hilfe oder Therapie oder eine Impfung? Ich habe einen großen Gott! Der nimmt mich  auch so an.“ „Was soll ich für mein Alter vorsorgen? Wozu mich in einem Seniorenheim anmelden? Gott wird sich um mich kümmern.“

Wie anders redet die Bibel von Weisheit. Weisheit meint nicht gute Schulnoten. Weisheit ist nicht gleich Intelligenz. Weisheit ist das alte Wort für Lebensklugheit. Der Weise ist klug! Darum kann er im Leben bestehen. Er oder sie lebt gesund, fröhlich und angemessen  mit sich selbst, mit anderen Menschen und den Dingen dieser Welt. Das ist weise. Das wünscht sich Gott für uns.

Weisheit ist etwas, was sich entwickelt. Die Welt verändert sich. Es gibt neue Möglichkeiten,  Lebensbedingungen, neue Erkenntnisse. Weisheit lernt dazu. Sie stellt sich darauf ein. Weisheit ist nie fertig. Andererseits fragt sie nach Regeln für unser Verhalten, die sich bewähren, die Bestand haben. „Wer sich früh bewegt, ist im Alter beweglich!“ Das ist ein Satz der Weisheit. Das ist vernünftig. Das kann jeder nachvollziehen. Dazu braucht man kein Abitur. „Wer Anderen eine Grube gräbt, fällt selber rein.“ (Spr 26,27) Das ist auch eine biblische und menschliche Weisheit: „Wenn du anderen eine Falle stellst, wird es dir selbst zur Falle!“

Weisheit lernt aus Erfahrungen. Sie hat es Vernunft zu tun, mit Klugheit, auch mit Demut,  auf andere hören zu können. Und dennoch weiß Israel im Alten Testament: Die Quelle aller Weisheit ist Gott.  Gott zu fürchten, ihn zu ehren  und an die erste Stelle zu stellen, das ist der Anfang aller Weisheit. (Spr 9,10; Ps 111,19) Faulheit, Naivität, Stolz oder Leichtsinn darf man nicht mit Glauben verwechseln. Glaube an Gott macht weise! Auch unser Verstand   und  der Verstand anderer Menschen ist von Gott.

Es gibt Christen, die meinen auf die Weisheit der Welt verzichten zu können. Ich habe in einer Predigtwerkstatt für Laien ein paar Grundregeln der Rhetorik vorgestellt. Ganz einfache Sachen. Dass man eher in kurzen Sätzen redet. Dass man verbal und nicht nominal redet.  Dass man die Schnelligkeit und Betonung beim Reden wechselt. Dass man die Menschen ansieht, natürlich redet, Pausen macht, ich sagt und nicht man … Da meinte einer der Kursteilnehmer, dass wir so etwas nicht bräuchten. Ja es sei sogar gefährlich. Dann würde man Menschen manipulieren. Wir sollten ganz auf den Heiligen Geist vertrauen. Darum würde er auch keine anderen Predigten lesen und seine Predigt nicht ausformulieren. … Vielleicht ist das nicht weise, dass ich es hier so sage: Ich habe eher vermutet, das war ihm alles zu anstrengend, er wollte lieber so weitermachen wie bisher.

„So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise!“ Das griechische Wort, das hier mit sorgfältig übersetzt wird, heißt akribos. Akribisch also, sehr genau sollen wir auf unser Leben sehen, und es weise führen. Wie wir mit unserem Körper umgehen, mit unserer Zeit, mit Menschen, die wir lieben, und mit anderen, mit denen wir schwer auskommen. Wie wir mit unserem Geld oder unserem Mundwerk oder Kritik umgehen. Sei weise! Nimm das ernst! Denk akribisch darüber nach! Lerne dazu!

Drei Konsequenzen der Weisheit nennt Paulus in Epheser 5. Im Griechischen sind es   drei Partizipien,  drei Nebensätze: Wer weise lebt, (1) der kauft die Zeit aus, (2) der versteht, was der Wille Jesu ist, (3) und der lässt sich vom Heiligen Geist erfüllen.

Zuerst also:
Wer weise ist, der kauft die Zeit aus, denn es ist böse Zeit!

Warum ist es böse Zeit? Zeit ist doch ein Geschenk Gottes! Richtig! Aber es ist eine umkämpfte Zeit. Sie vergeht. Wir können sie nicht festhalten oder sparen oder wiederholen.  Jede Zeit ist einmalig. Jeder Tag, jede Stunde. Zeit muss man immer dann einsetzten, gestalten, gebrauchen, verbrauchen, wenn sie da ist.

„Lebt eure Zeit bewusst!“ hätte Paulus schreiben können. „Nutzt die Zeit in ihren Möglichkeiten!“ Das Leben ist wie ein  Marktplatz, die Zeit in unsere Währung. Jeder hat sein Kontingent. Es gibt viele Möglichkeiten, seine Zeit auszugeben, aber jeder kann sie nur einmal ausgeben. „Kauft die Zeit aus!“ „Überlegt, was ihr damit macht!“

Im Griechischen gibt es zwei Worte für Zeit: Chronos meint die vergehende Zeit, die man auf der Uhr und am Kalender  absehen kann. Sie recht zu nutzen braucht schon viel Weisheit! Mal angenommen, du arbeitest 50 Stunden in der Woche; das ist viel. Und du schläfst 50 Stunden in der Woche; das ist auch viel. Da bleiben immer noch 68 Stunden übrig! Was machst du damit? Sitzt du am Fernseher, spielst am Handy, bewegst du dich, übernimmst Verantwortung  für Menschen oder für Aufgaben in der Gemeinde, pflegst du Beziehungen,  bist du still vor Gott?

„Ich habe keine Zeit.“ Jede und jeder von uns kann das sagen. Aber es stimmt nicht. Wir haben alle gleich viel Zeit. Man muss ehrlicher Weise wenigstens sagen: Dafür habe ich keine Zeit. Dafür ist mir meine Zeit zu schade. Dazu will ich mir keine Zeit nehmen. Denn du hast die Wahl, wofür du Zeit hast.

Kairos ist das zweite Wort für Zeit im Griechischen. Chronos ist die Zeit, wie sie vergeht. Ohne Unterschied. Jede Minute gleich. Jede Minute 60 Sekunden. Das ist chronos. Kairos ist die gefüllte Zeit, eine besondere Zeit, genau die richtige Zeit für etwas. Manchmal gibt es nur einen Tag, eine Stunde oder eine Gelegenheit, die so nie wiederkehrt, in der ich ganz besondere Möglichkeiten habe. Gottes Geist kann uns darauf aufmerksam machen. „Heute könnte ich bei meiner kranken Nachbarin klingeln“. „Jetzt könnte ich ein Gespräch mit meinem Chef suchen!“ „Jetzt sollte ich beim Arzt anrufen, Hilfe suchen, für mich beten lassen.“ „Wenn ich mich heute nicht zur Taufe melde, mache ich es nie.“

Alles das können Kairoi sein, ganz besondere Zeiten mit ganz besonderen Möglichkeiten. Gott hat dann eine Tür aufgemacht! Jetzt. Heute. Rede, handle, tu es, solange es noch heute ist. Schiebe nicht auf, was Gott dir heute bewusst gemacht hat. Die lange Bank, auf die wir so manches schieben, ist des Teufels liebstes Möbelstück. „Kauft die Zeit aus, denn es ist eine böse Zeit.“ Sie vergeht. Sie ist umkämpft. Aber jetzt ist die volle Zeit Gottes.

Zweitens:
Wer weise ist, der versteht, was der Wille des Herrn ist! (V17)

Offensichtlich  gibt es hier auch etwas,  das man verstehen muss, das mit Überlegen, Vernunft, oft mit ehrlichem Ringen und Beten zu tun hat. Hier geht es nicht um Gebote oder Verbote, die man zitieren kann. „Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nichts Falsches über einen anderen Menschen sagen…“  Das ist das kleine Einmaleins.

Verstehen, was Gottes Wille ist, heißt einmal, daran festhalten, auch wenn es schwierig wird. Durchhalten, was Gott will. Ehrlich bleiben. Demütig bleiben. Bei der Wahrheit bleiben. Christus bekennen. Aus Liebe reagieren. Solidarisch mit Armen und Elenden bleiben.

Verstehen, was Gottes Wille ist, heißt hier im Zusammenhang weiter um Weisheit ringen. „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ (1. Tim 2,4) Paulus schreibt: „So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen (…) und für alle Obrigkeit.“ (1. Tim 2,1) Gott will, dass die Welt die Christen daran erkennt, in welcher Liebe sie miteinander umgehen sind (Joh 13,35).

Verstehen, was Gottes Wille ist, heißt nicht, diese Sätze zitieren zu können,  sondern zu wissen,   wie man sie heute lebt  und dann so zu leben: Dass Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Dass für Menschen und Verantwortliche gebetet wird. Dass wir Christen in Liebe füreinander da sind.

Vor vielen Jahren habe ich in einem Buch über Gemeindeleitung einen Satz gelesen, der wichtig ist, der viel aussagt, finde ich: „Manchmal ist Gemeindeleiten viel Denken, denken bis es weh tut!“ Den Willen Gottes zu kennen und ihn zu leben, das braucht Weisheit, und die fällt einem meistens nicht in den Schoß. Manchmal bedeutet als Christ zu leben akribisch zu prüfen, viel denken, Denken bis es weh tut, um dann das Richtige zu tun! Weisheit fällt einem nicht in den Schoß. Sie muss oft errungen und erbetet werden.

Drittens:
Wer weise ist, der lässt sich vom heiligen Geist erfüllen!

Sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen!“ (V18) Christen besaufen sich nicht. Wer im Vertrauen zu Gott lebt, hat es nicht nötig. Christen versuchen sich nicht durch Alkohol zu trösten. Sie suchen ihren Trost bei Gott. Christen sind freie Menschen und sie lassen sich von nichts beherrschen. So soll es sein. Vermutlich war es nicht einmal in Ephesus immer so. Sonst hätte Paulus es gar nicht erwähnt. Der Missbrauch von Alkohol, die Flucht in die Sucht, ist kein Problem der Neuzeit.

Sich besaufen führt zu einem „unordentlichen Wesen“, schreibt Paulus. Da verliert man den Halt. Das macht zügellos. Dann verliert man die Kontrolle. Trinker*innen werden zu Opfern  von sich selbst. Sie geben ihr Leben aus der Hand in die Macht von etwas anderem.

Paulus ist nicht gegen jede Art von Alkohol oder Alkoholgenuss. Seinem Mitarbeiter Timotheus schreibt er, er solle um seines Magens willen ab und zu etwas Wein trinken
(1. Tim 5,23). Jesus hat auf der Hochzeit in Kana aus Wasser Wein gemacht und nicht umgekehrt. Und es war ein guter Wein (Joh 2). Auch beim Abendmahl wurde mehr als ein Schluck Wein getrunken (vgl. 1. Kor 11,21).

Der mögliche Missbrauch schließt einen dankbaren Gebrauch nicht aus. Als ich in Berlin Tempelhof Pastor war, gab es dort einige Christen, die ganz auf Alkohol verzichten, weil wir dort eine Alkoholiker-Arbeit und einige Alkoholiker hatten. Das finde ich gut. Das ist aber kein Gebot für alle Christen. Auch Paulus zieht diesen Schluss nicht!

Auch andere Süchte führen dazu, dass man die Kontrolle über sein Leben verliert, dass man fremdbestimmt wird, sein Leben in die Macht von etwas anderem gibt: Spielsucht,  Internetsucht, Tablettensucht, Esssucht, aber auch Erfolgssucht, Arbeitssucht, Workaholics.

Dass wir das nicht vergessen! Um es nicht falsch zu verstehen: Süchte und Abhängigkeiten sind Krankheiten, die behandelt werden müssen. Süchtige brauchen keinen erhobenen Zeigefinger, sie brauchen Hilfe und Ermutigung auf einem schweren Weg hinaus, den sie aber selber gehen müssen. Alkoholsucht bekanntlich bleibt eine lebenslange Krankheit. Eine Alkoholikerin wird nie wieder dahin kommen, dass sie „hin und wieder mal ein Bier trinken kann“. Freiheit gibt es nur durch lebenslange Abstinenz.

Was kann ich tun, wenn ich eine Sucht aufgebaut habe? In Berlin-Tempelhof gab es Selbsthilfegruppen für Alkoholiker und für Angehörige, für Co-Abhängige. „Was macht ihr in den Gruppen?“ habe ich einmal gefragt. „Wir reden miteinander, Wir reden offen. Das ist eigentlich alles,“ wurde mir gesagt. Sich nicht mehr verstecken. Das Erste ist, wenn du süchtig bist, egal was für eine Sucht es ist: Bringe es ans Licht. Vertraue dich jemandem an. Rede mit jemanden. Du bist nicht die oder der Einzige! Dann suche dir eine Selbsthilfegruppe. Ich kann dabei helfen. Betroffene können einander besser helfen, frei zu werden. Verharmlose deine Sucht nicht und glaube an die Freiheit, die Gott dir schenken will.

Der Glaube macht vernünftig. Der Rausch vernebelt den Verstand. Er macht unweise und abhängig. Die Gefährdung schlechte Gefühle zu ertränken, innere Leere mit Alkohol zu füllen, gibt es auch unter Christen. Wenn wir in eine Sucht gefallen sind, können wir beten und andere können für uns beten, und wir brauchen Weisheit, menschliche Erfahrungen, menschlichen Hilfe.  Das ist nicht unchristlich, sich Hilfe zu suchen, das ist weise.

Am Ende unseres Abschnittes sagt Paulus noch etwas, wie wir vom Heiligen Geist erfüllt werden: Wir sollen singen! Wir sollen Gott gemeinsam loben! Wir sollen dankbar sein, eine Grundhaltung der Dankbarkeit haben. Das Gute sehen und Gottes Güte darin erkennen. Zufrieden sein können. Interessant, dass das etwas mit dem Heiligen Geist zu tun hat.

Grammattisch, vom griechischen Satzbau her, wäre beides möglich: Entweder will Paulus sagen: „Weil ihr vom Geist Gottes erfüllt seid, darum singt und lobt seinen Namen,  erbaut euch gegenseitig mit Psalmen und Lobliedern!“ Oder er will sagen: Lasst euch erfüllen vom Heiligen Geist indem ihr singt, ihn gemeinsam anbetet, euch gegenseitig mit geistlichen Liedern erbaut!“ Vielleicht meint Paulus beides. Wenn Menschen im Gottesdienst zusammenkommen, um Gott zu loben, dann schließt sich ein Kreislauf: (a) Sie sind vom Geist erfüllt, darum loben sie. (b) Sie loben Gott und darum sind sie vom Geist erfüllt.

Auf dem gesungenen Wort liegt eine Verheißung. Wenn wir gemeinsam Gott loben, Jesus als unseren Herrn bekennen, uns seine Größe und Liebe bewusst machen, dann wird auch unser Inneres verändert. Da finden wir den Trost, den Halt und die Richtung, die unser Leben braucht. Nicht wenn wir uns besaufen oder irgendetwas anderem Macht in unserem Leben geben.

So achtet sorgfältig darauf, dass ihr euer Leben als Weise führt, nicht als Unweise.
Kauft die Zeit aus; es ist böse Zeit.
Versteht, was der Wille des Herrn ist.
Sauft euch nicht voll Wein, sondern lasst euch vom Geist Gottes erfüllen.
Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen.
Dankt dem Vater, allezeit für alles,
im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

Amen

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