Auf Trümmern jubeln

Herzlich willkommen zu unserer Predigt am heutigen Sonntag.

Heute geht es darum, auf Trümmern zu jubeln. Heute geht es um Freude auf das was kommt, wenn etwas Großes kaputt gegangen ist. Ich lese aus dem Propheten Jesaja 52, 7-10 Wenn sie mögen, holen sie sich eine Bibel und lesen sie den Text mit. Sie können das Video ja noch einmal anhalten.

Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König!
Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und jubeln miteinander; denn sie werden’s mit ihren Augen sehen, wenn der Herr nach Zion zurückkehrt. Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.

Das Volk ist seit 40 Jahren verschleppt nach Babylon. Und jetzt soll es jubeln.

Ich möchte heute in der Form einer Homilie predigen. Was ist das, eine Homilie? Das ist eine bestimmte Art eine Predigt aufzubauen, in der man einen Text von Anfang bis Ende Satz für Satz, vielleicht Wort für Wort durchgeht und auslegt. Ichmöchte in ganz kleinen Schritten durch den Text gehen und mich dadurch zu eigenen Gedanken anregen lassen.

Mit lieblichen Füßen fängt der Text an. Da kommen Freudenboten und sie haben liebliche Füße. Ihre Füße sind nicht zarter oder schöner als andere, das ist nicht gemeint.  Aber ihre Schritte zu  hören,  das ist lieblich. Das löst Freude aus. Was kann das für eine Situation sein, bei dir, bei mir, im Leben eines Menschen, in der er Schritte hört und sich freut, sich tierisch freut, sodass er fröhlich aufspringt  oder es sie oder ihn zu Tränen rührt?

Im wahren Leben kommt das nicht oft vor, im Krimi habe ich es neulich wieder gesehen.   Eine Kommissarin ist eingesperrt. Sie schreit um Hilfe. Niemand hört sie, und sie hört niemand. Was für eine Freude, was für eine Befreiung, dann, als sie Schritte hört von einem, der ihr die Tür aufschließt.

Auch das kommt im wahren Leben kaum vor, aber wir kennen das aus  Kinofilmen. Der Bräutigam wartet in der Kirche und die Braut kommt nicht. Die Kirche voll besetzt. Der Brautvater sollte sie bringen und sie kommen nicht. Der Bräutigam schwitzt. Jede Minute kommt ihm vor  wie eine Stunde. Und dann hört er eilige kleine  Schritte draußen vor dem Gottesdienstraum. Sie kommt!

Was könnte das in deinem Leben sein? Bist du auch irgendwo eingesperrt? Fühlst du dich gefangen? Wartest du sehnsüchtig auf Erlösung, auf Hilfe? Was könnte das bei dir sein, wo du Angst hast, dich abplagst und endlich  hörst du Schritte: Da kommt einer, der dir die Tür öffnet! Lieblich sind seine Füße, weil sie eine wunderbare Nachricht bringen. Diese Boten haben dir, sie haben uns etwas zu sagen, was auf eine  tiefe Sehnsucht trifft, was zu Herzen geht, was unsere Augen feucht werden lässt: Ihr könnt nach Hause! Ihr seid wieder frei. Ein neues Leben beginnt. Diese Boten reißen den Himmel wieder auf, wo es dunkel war. Darum sind ihre Füße lieblich.

Auf den Bergen sind sie lieblich. Was heißt das? Sie laufen über Berge. Man hört ihre Schritte auf den Bergen. Vielleicht haben sie einen  weiten Weg  hinter sich.  Sie mussten ein Gebirge überwinden. Lange haben die Menschen darauf gewartet auf der anderen Seite. Sie haben die Hoffnung schon aufgegeben.

So war es  damals in  Babylon. Man hat sie für Spinner gehalten, die immer noch dachten, dass das Volk einmal nach Jerusalem zurückkehren könnte. So war es auch in den 70er und 80er Jahren im letzten Jhdt, als einige Politiker immer noch meinten, dass die zwei Deutschland noch einmal zu einem Land vereinigt würden. Das ist doch alles kaputt. Das ist alles zerstört. Daran kann man nichts  mehr machen.

Und da gab es immer noch Menschen in Babylon und diesen Propheten, der an Gottes Versprechen festgehalten hat:  Er wird uns wieder nach Hause holen. Er wird uns befreien, wie er uns einmal aus Ägypten befreit  und  durch die Wüste geführt hat. Gott hält Wort. Für nichts im Leben ist das letzte Wort schon gesprochen, wenn Gott es nicht gesprochen hat.

Gute Botschaft bringen die Boten. Gute Nachricht. Da steht ein Wort,  das gut 500 Jahre später eine besondere Bedeutung bekommen wird. „Euangellion“ heißt es auf Griechisch. Evangelium. Diese Boten bringen Evangelium, gute Nachricht von Gott. Sie sind Evangelisten könnte man sagen, Menschen, die anderen Menschen die gute Nachricht von Gott bringen. Solche lieblichen Füße können wir auch haben, wenn wir            zu Botinnen und Boten Gottes werden.

Was verkündigen sie denn? Frieden und Rettung. Das war damals das Evangelium an das Volk in Babylon. Das ist das Evangelium  von Jesus Christus auch heute: Friede und Rettung. Man kann auch Heil übersetzen. Das Volk stand in keinem  Krieg mehr. Der Krieg war lange vorbei. Aber Frieden hatten sie nicht. Sie litten unter den Folgen des Krieges. Sie waren seit 40 Jahren Gefangene, Verschleppte. Sie waren nicht mehr Herr ihrer selbst. Sie waren Opfer ihres Lebens geworden. Sie mussten in der Fremde leben, unter Umständen, die sie sich nie ausgesucht hätten.

Friede würde bedeuten, Friede mit Gott zu haben, Gott wieder auf unserer Seite zu wissen. Friede würde bedeuten, das eigene Leben annehmen zu können. Versöhnt zu sein mit der eigenen Geschichte. Nur ein neuer Anfang mit Gott würde diesen Frieden bringen. Und den  verkünden  diese Boten mit ihren lieblichen Füßen. Es ist nicht zu Ende. Es fängt neu an. Jammere nicht über das, was gewesen ist. Freue dich auf das, was kommt. Sei „neu gierig“  auf das, was Gott dir schenken wird.

Und Rettung verkünden die Boten Gottes, die Evangelisten. In anderen Übersetzungen auch mit  Heil  übersetzt. Gott spricht frei. Er vergibt. Er räumt aus. Er greift ein. Du wirst nicht nur irgendetwas los. Du wirst heil. Du wirst wieder ganz. Die abgebrochenen zerbrochenen Teile von dir sollen wieder zusammenfinden.

Gott befreit nicht nur aus Ägypten, er führt in ein neues Land. Er lässt uns nicht in der Wüste stehen. Gott rettet nicht nur aus Babylon, aus anderen Gefangenschaften, aus der Sünde.  Er will heilen, sein Heil schenken. Sonst wäre es ja nur eine halbe Rettung.

Und  alles  hängt an dem kleinen Satz, den die Boten dann sagen: Dein Gott ist König! Das ist die Mitte. Das ist der Kern. Das setzt alles in Bewegung. Ohne das geht es nicht. Das hängt total zusammen. Weil Gott sich als der König zeigt, darum gibt es Friede und Rettung. Und weil er dein Gott ist, der der König ist, darum gibt es für dich Friede und Heil.

Der König hat sich erhoben. Der König ist aufgestanden. Und mit ihm ist seine Herrschaft aufgestanden. Dein Heil. Friede, Freiheit für alle Gebundenen. Wenn der König aufsteht, dann geht Licht an, wo es dunkel war. Dann bekommen Hungrige zu Essen. Er lädt sie an seine Tafel. Schmutzige Menschen werden gewaschen, wenn der König aufsteht. Gefangene werden frei,  und sie hören seine leise aber ganz feste  Stimme: „Du bist mein geliebtes Kind, du bist mir wertvoll!“

Dass dieser Gott dein Gott ist, das drückt eine Beziehung aus. Das ist nicht irgendein anonymer König, den du nicht kennst, von dem du nichts weißt. Es ist der, der sich dir gezeigt hat, den du kennst und nach dem du dich gesehnt hast. Weil er dein König ist und du Teil seines Reiches bist. Weil du auf ihn gehofft hast, darum freust du sich, seine Schritte zu hören.

Ich weiß nicht ob dir schon zum Jubeln ist. Es ist nicht leicht zu jubeln, wenn man noch auf den Trümmern steht. Aber da gibt es schon welche, die jubeln. Wir finden sie im Text: Die Wächter werden genannt. Die Wächter rufen schon und jubeln. Sie sind aufgeregt. Sie tanzen schon auf den Trümmern. Sie sind es gewohnt, in die Ferne zu sehen. Und sie sehen den König schon kommen.

Die Trümmer sind noch da, sie sind noch nicht weggeräumt. Das Leben ist noch nicht wohnlich, heil. Aber wer ist hier realistisch? Die oder der, der immer nur auf die Trümmer sieht? Oder die oder der, die schon auf den König sieht? Trümmer sind oft gar nicht unnütz. Mit ihnen kann man eine Stadt wieder aufbauen.

Nach dem zweiten Weltkrieg war das in Deutschland eine sehr prägende Erfahrung, die Trümmerstädte, die aufgeräumt und wieder aufgebaut wurden. In Dresden haben Bürger dafür gesorgt, dass alle Trümmer der Frauenkirche am Platz blieben, zusammengetragen wurden, nicht entfernt wurden. Fast 50 Jahre nach Kriegsende, 1994, wurde die im 15. Jahrhundert erbaute Kirche dann wieder neu aufgebaut eingeweiht.

Die Wächter und der König, sie sehen die Trümmer. Sie werden nicht geleugnet. Die Trümmer gehören dazu. Wenn man sie leugnet, findet man nicht zu neuer Freude. Die Schmerzen des Lebens, Verletztes, Abgebrochenes, Enttäuschungen, sie werden wahrgenommen. Sie sind ein Teil von uns. Sie bekommen ihren Platz.

Gott richtet uns in und mit unseren Trümmern auf. Gott geht nicht über die Trümmer in unserem Leben hinweg. Und er lässt Neues daraus entstehen. Ein sperriges, fremdes Bild vielleicht. Aber dieser König macht aus unseren Trümmern neue Kirchen, wie die Dresdener aus Trümmern die Frauenkirche aufgebaut haben.

Die Wächter jubeln schon. Wo können wir solche Wächter sein? Oder wo können wir sie hören und uns anstecken lassen? Wo gibt es das, dass jemand schon jubelt, wo noch gar nichts Sichtbares passiert ist?

Ich dachte an ein Fußballspiel.  Bundesliga. Volles Stadion. Das Spiel läuft seit 10 Minuten. Es ist spannend und ausgeglichen. Zwei starke Mannschaften spielen gegeneinander. Und plötzlich springt ein ganzer Fanblock auf und tausende jubeln: „Tor! Toor! Tooor!“ Aber es ist noch gar kein Tor gefallen. So stelle ich mich die Wächter vor, di den König schon gesehen haben.

Da kommt eine Schwangere zur Entbindung ins Krankenhaus. Die  Wehen haben eingesetzt. Die Frau krümmt sich vor Schmerzen. Eine Hebamme kommt fröhlich auf sie zu und ruft: „Herzlichen Glückwunsch! Es ist ein Mädchen! Sie haben es gut gemacht. Halleluja!“ Die werdende Mutter stöhnt. Und sie lächelt! Sie wird angesteckt von der Vorfreude der Hebamme. Jetzt tut es noch weh aber dann wird ein neues Leben anfangen. Halleluja.

Dein Gott ist König sagen die Boten zu Zion, schreibt Jesaja. Zion  ist der Berg in Jerusalem, der Tempelberg. Und der Name des Berges Zion kann für die ganze Stadt stehen. Jerusalem, das ist Zion. Das ist die Stadt, in der der Tempel Gottes in der Mitte steht.

Der König kommt zurück nach Zion. Und wenn der König kommt, dann kommt er nicht alleine, dann kommt er nicht ohne sein Volk. Wo der König hingeht, da folgen auch seine Leute, sein Gefolge. Dieser König ist kein  einsamer Monarch. Er will kein König ohne sein Volk sein. Darum zieht er sein Volk hinter sich her.

Das ist auch bei Jesus so. Bei unserem König. Wo Jesus hingeht, da kommen auch seine Leute hinterher. Wo Jesus als Erster hingeht, da folgen die, die ihm nachfolgen. Ganz sicher. Weil er der König ist und weil er  nicht ohne sein  Volk sein will.

Ich hatte vor einigen Tagen eine Beerdigung. Da habe ich es ähnlich begründet, warum wir Hoffnung haben über den Tod hinaus. Der König ist vorausgegangen, als Erster, und wir werden ihm folgen. Paulus hat gesagt, Jesus sei der Erste der Auferstehung. Er ist das Haupt, der Kopf. Der Kopf ist schon durch. Der Kopf hat den Tod schon besiegt und ist in der Herrlichkeit. Und er zieht seinen Leib mit. So ist das gemeint bei Paulus. Der Erstling ist die Anzahlung, der Anfang, von dem was folgt. Der Kopf ist der Garant dafür, dass nun auch der ganze Leib den Weg in die Herrlichkeit gehen wird

„Der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.“ Schreibt Jesaja. Beides Worte, die wir auf Jesus beziehen können. In ihm hat Gott uns getröstet. In ihm tröstet er uns immer wieder. Gott kommt uns nahe.  Setzt sich zu uns. Wird Teil unserer kleinen Welt. Er trocknet unsere Tränen und schenkt neue Freude. Und durch Jesus hat Gott uns erlöst. Freigekauft. Er hat mich und dich bezahlt, damit wir frei sein können. Wir hatten saumäßig verschuldet bei Gott. Das hätten wir mit unserem Leben nicht bezahlen können. Gott hat unsere Schulden bezahlt.

Der Herr ist dein König und er hat dich getröstet und erlöst. Das ist das Evangelium. Darum freue dich. Jubele laut. Tanze auf den Trümmern. Gott hat seinen heiligen Arm gezeigt, den Jesaja schon gesehen hat. Er hat seinen Arm gezeigt, mit dem er regiert, vor allen Völkern. Alle Enden der Welt werden es sehen, schreibt Jesaja.

Noch ist kein Tor gefallen, aber die Wächter jubeln schon.
Noch liegt diese ganze Welt in Wehen, aber ganz Neues wird geboren werden.

Jesaja ab Kapitel 40 nennt man auch das Trostbuch der Bibel. Dein Gott ist König. Er kommt. Er ist schon da. Darum gibt es so viele herrliche Zusprüche bei Jesaja:

  • „Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft!“(40,31)
  • „Fürchte dich nicht: Ich bin mit Dir!“ sagt der Herr, dein Gott! (41,10)
  • „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst!“ (43,1)
  • „Kann denn eine Mutter ihr Kind vergessen, dass sie sich um ihr Kind nicht mehr kümmerte? Und wenn es eine solche Mutter gäbe, so will ich dich doch nie vergessen! – Siehe ich habe dich in meine Hände gezeichnet!“ spricht Gott, der Herr. (vgl. 49,15f)
  • „Die Erlösten des Herrn werden heimkehren nach Zion mit Jauchzen und ewiger Freude!“ (vgl. 51,9-11)

Amen

 

 

 

 

 

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