Jesus schenkt voll ein

Liebe Gemeinde,

Mein Glas ist halb leer. (Erstes Glas hochhalten) Dieses Bild, dieser Satz drückt das Lebensgefühl vieler Menschen aus. Mein Glas ist halb leer. Und es wird immer leerer.  Da ist nicht mehr viel.  Das meiste meines Lebens ist schon verbraucht. Meine Kraft, meine Möglichkeiten, meine Perspektiven gehen langsam zur Neige. Bei mir ist nur noch Wasser drin! (Erstes Glas absetzen)

Jesus will uns voll einschenken. Darum geht es heute. Er will unser Lebensglas füllen. (Zweites Glas hochhalten) Er will uns wieder Perspektiven geben, Kraft, Freude, das was wir zum Leben brauchen. Jesus verwandelt unser Wasser in Wein. Und er schenkt voll ein. Wir sollen nicht halbleer leben, unseren Durst nur noch mit Wasser löschen, das nach nichts schmeckt. Jesus will uns schenken, was Freude bereitet, was Halt gibt, was uns nach vorne sehen lässt. Er will uns das Leben in Fülle schenken.

Ich lese uns aus dem Johannesevangelium Kapitel 2:
Das allererste Wunder, das Jesus getan hat:

1 Am dritten Tag der Woche fand in Kana, einer Ortschaft in Galiläa, eine Hochzeit statt. Die Mutter Jesu nahm daran teil, 2 und Jesus selbst und seine Jünger waren ebenfalls unter den Gästen.
3 Während des Festes ging der Wein aus. Da sagte die Mutter Jesu zu ihrem Sohn: »Sie haben keinen Wein mehr!«
4 Jesus erwiderte: »Ist es deine Sache, liebe Frau, mir zu sagen, was ich zu tun habe? Meine Zeit ist noch nicht gekommen.«
5 Da wandte sich seine Mutter zu den Dienern und sagte: »Tut, was immer er euch befiehlt!«
6 In der Nähe standen sechs steinerne Wasserkrüge, wie sie die Juden für die vorgeschriebenen Waschungen benutzen. Die Krüge fassten jeder zwischen achtzig und hundertzwanzig Liter.
7 Jesus befahl den Dienern: »Füllt die Krüge mit Wasser!« Sie füllten sie bis zum Rand.
8 Dann sagte er zu ihnen: »Tut etwas davon in ein Gefäß und bringt es dem, der für das Festessen verantwortlich ist.« Sie brachten dem Mann ein wenig von dem Wasser, 9 und er kostete davon; es war zu Wein geworden. Er konnte sich nicht erklären, woher dieser Wein kam; nur die Diener, die das Wasser gebracht hatten, wussten es.
10 Er rief den Bräutigam und sagte zu ihm: »Jeder andere bietet seinen Gästen zuerst den besseren Wein an, und wenn sie dann reichlich getrunken haben, den weniger guten. Du aber hast den besseren Wein bis zum Schluss zurückbehalten!«
11 Durch das, was Jesus in Kana in Galiläa tat, bewies er zum ersten Mal seine Macht.
Er offenbarte mit diesem Wunder seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.
                                                                                                                                             Neue Genfer Übersetzung

Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn ich der Messias gewesen wäre. Eine Option wäre vielleicht gewesen, in einem Krankenhaus alle zu heilen. Lustig und wirksam wäre es gewesen, alle Säbel und Schwerter von Soldaten in Holzschwerter zu verwandeln. – Ein Zeichen für das Heil, ein Zeichen für den Frieden, das alle sehen.

Jesus, der Messias, er geht auf eine Hochzeit. Nach Kana. Ein kleines Dorf bei Kapernaum. In die Provinz. Seine Mutter, er und seine Jünger sind eingeladen. Jesus hat offensichtlich noch gar nicht vor, ein Wunder zu wirken. Er will mit feiern, fröhlich sein.

Es sind viele Menschen da. Sie feiern schon lange. Es gibt viel zu essen und zu trinken. Immer wieder wird  Lammfleisch, Gemüse, Obst und frisches Brot nachgelegt. Einige haben dem Wein sehr zugesprochen. Keiner muss am Abend nach Hause. Solche Hochzeiten wurden eine ganze Woche lang gefeiert. Die Männer haben zusammen getanzt. Sich im Kreis aufgestellt, gelacht, sich nach der Musik bewegt. Pure Lebensfreude. Mit vollem Magen und ein, zwei, drei Gläsern Wein im Blut.

Es ist nicht ganz klar, was Johannes gemeint hat mit dem dritten Tag. Am dritten Tag wurde eine Hochzeit gefeiert. Nach jüdischer Zählung ist der dritte Tag der Dienstag. Tatsächlich wurden wohl Ehen gerne an Dienstagen geschlossen. Nur am dritten Tag heißt es im Schöpfungsbericht zwei Mal „Siehe, es war sehr gut“! Die eigene Ehe sollte auch sehr gut gelingen.

Vielleicht kamen Jesus und seine Jünger auch erst am dritten Tag zur Hochzeit. Die Feier dauerte ja sieben Tage. Dann wäre er mittendrin gekommen, zur zweiten Hälfte, als schon ordentlich gefeiert wurde. Vielleicht sollen wir diese Geschichte aber auch schon von Ostern her lesen. Am dritten Tag wurde Jesus auferweckt. Vielleicht will Johannes damit zeigen:  Der, den wir Ostern erst ganz erkannt haben, der zeigt sich schon hier. Er, der das Leben in der Fülle will. Der Messias, der den Tod überwindet.

Dann passiert etwas Schlimmes. Keiner stirbt, keiner wird krank, niemand muss in den Rollstuhl. Nichts Lebensbedrohliches. Aber etwas, was ins Leben einschneidet. Eher von der Kategorie „Es hätte dich so schön sein können, „Wir haben doch unser Leben so schön gefeiert“. Der Wein geht aus. Nicht zu fassen. Hochzeiten waren immer schon auch ein Bild für die Ewigkeit, für das Leben mit Gott. Wein war immer schon ein  Zeichen für Wohlergehen und Wohlstand. Jetzt kommt alles in eine Schieflage.

War der Bräutigam zu geizig? Hat er schlecht geplant? Sind zu viele gekommen? Hat er sich verkalkuliert für seine Hochzeit? Lag der Fehler bei ihm? Oder gab es einige Verwandte, die sich als besonders trinkfest gezeigt haben und viel mehr getrunken haben, als er dachte? Man kann sich auch verkalkulieren im Leben. Und dann geht der Wein aus. Dann gibt es nur noch Wasser. Kein Supermarkt in der Nähe. Keine schnelle Lösung.

Die ersten merken es schon. Sie halten ihre leeren oder halbleeren Becher hoch. Wo bleibt der Wein?  Maria hat es auch schon gemerkt. Sie war sicher nicht die Einzige. Aber sie ist die Einzige, die zu Jesus geht. „Sie haben keine Wein mehr!“ sagt sie ihm. Schade, dass der Ton nicht mit überliefert wurde.  Die Betonung.  War sie einfach mit traurig, mit erschrocken dem Brautpaar? War ihr Glas auch schon halb leer?

Ein Ausleger vermutet, dass sie Jesus damit sagen wollte, dass er und seine Jünger wieder nach Hause gehen sollten: Sie haben doch  jetzt schon keinen Wein mehr! Wenn ihr noch dazu kommt, wird es noch peinlicher.

Nein. Ich glaube, das war ein Appell. Eine Aufforderung. Ein Hilferuf. Sie hatte doch schon einiges mit Jesus erlebt. Die Geburt, die Flucht, Jesus, der als 12-Jähriger in Jerusalem mit den Schriftgelehrten diskutiert. Vielleicht kann Jesus ja etwas machen? Vielleicht hat er eine Lösung, eine Antwort. Vielleicht kann er trösten oder ein Wunder tun! Ich glaube, das war so ein typischer Satz einer Mutter, die ihrem Sohn sagt „der Tisch ist noch nicht gedeckt“:  Das ist keine bloße Information, der Junge soll den Tisch decken. Bei Jesus ist es auch genauso angekommen. „Sieh dir doch diese peinliche Situation an, da musst da etwas tun!“ Ein Gebet wenn man so will. Eine Frau, die sich in der Not an Jesus wendet.

Jesus antwortet sehr abweisend. Schroff. Unhöflich. Er antwortet nicht als Sohn, der sich seiner Mutter unterordnet. Sie hat ihm keine Befehle zu geben. Er antwortet als der Herr. „Was geht es dich an! Meine Stunde ist noch nicht gekommen!“ Übrigens: Immer wenn Jesus sonst im Johannesevangelium von seiner Stunde redet, meint er seine letzte Stunde, seinen Tod am Kreuz. Vielleicht hat Johannes auch diese Formulierung bewusst gewählt. Noch ein Hinweis, dass wir diese Geschichte nicht nur als den Bericht irgendeiner Hochzeit lesen sollen. Hier zeigt Jesus sich, was sein Tod und seine Auferweckung bewirken werden.

„Was geht es dich an. Meine Stunde ist noch nicht gekommen!“ Der Dialog zwischen Maria und Jesus ist kein Musterdialog für andere Mütter und Kinder. Es geht nicht darum, wie Mütter und Kinder reden sollen. Eher ist es eine kleine Gebetsschulung. Da betet jemand. Jesus sagt nein. Jetzt noch nicht. Und die Mutter geht zu den Dienern und sagt: „Alles was er sagt, das tut!“ Vermutlich war sie eine Verwandte, die diese Autorität hatte. Auch die Diener waren ja verzweifelt, dass sie keinen Wein mehr hatten.

Da betet jemand. Jesus sagt nein. Noch nicht. Und Maria vertraut ihm dennoch. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Seine Zeit kann ja noch kommen. Er wird handeln. Er wird etwas Gutes, Richtiges tun. Darauf sollen auch die Diener sich einstellen. Sie hat Jesus die Not genannt. Jetzt ist es in seiner Hand.

Und tatsächlich sorgt Jesus für Nachschub. Auch die letzten Tage, die zweite Hälfte der Hochzeit, sie soll nicht ohne Wein gefeiert werden. Im Eingangsbereich stehen sechs große Fässer. Steinkrüge. Das Wasser darin diente den Gästen für ihre Waschungen. Dort haben sie ihre Hände gewaschen. Sechs Fässer, jeweils zwei bis drei Maß Wasser haben sie gefasst. Ein Maß sind 40 Liter.  Sechsmal 80-120 Liter, das sind rund 600 Liter.  Wasser. Und dann Wein.

Jesus sagt den Dienern: Füllt sie bis an den Rand. Nicht halbvoll. Ganz voll. Bis oben. Die Diener werden einige Male zum Brunnen gegangen sein. Sie tun, was er sagt. Ohne zu wissen, was das soll, wohin das führt: Gibt es jetzt doch nur noch Wasser? Hat Jesus irgendwelche Kräuter dabei oder einen Sirup, dass das Wasser besser schmeckt?

Die Diener tun, was er sagt. Sie haben damit gut zu tun. Sie müssen einige Male hin und her laufen. Für mich sind sie auch ein Bild. Eine Ermutigung. Entweder handeln sie nur aus Gehorsam. Sie tun was er sagt, ohne es zu begreifen. Oder sie handeln auch schon aus Vertrauen: Er weiß, was er sagt. Er hat einen Plan. Er wird helfen. So lasst uns jetzt arbeiten, treu sein, Hin und her laufen. Wasser tragen, Ihm unser Wasser bringen.

Von Maria können wir Vertrauen lernen und von den Dienern auch. Weder sie, die betet, noch die, die dienen, setzen sich jammernd hin und trauern, dass sie keinen Wein mehr haben. Maria vertraut. Setzt sich zu ihren Verwanden. Unterhält sich mit ihnen. Es ist in Jesu Hand. Sie kann abschalten. Sie versucht nicht weiter auf ihn einzudringen. Die Diener gehorchen oder vertrauen. Jedenfalls werden sie aktiv. Wenn Jesus sagt, sie sollen ihm ihr Wasser bringen, dann machen sie das. Er kann alles daraus machen.

Als die Fässer randvoll sind, erst dann, nach ihrer Arbeit, sagt er den Dienern: „Bringt dem Festverantwortlichen, dem Event-Manager etwas von dem Wasser. Er soll es probieren.“ Auch das tun sie. Der Speisemeister probiert die Probe. Er riecht herrliche Aromen. Der Wein duftet. Er schwenkt das Glas. Noch mehr Aromen steigen auf. Seine Nase wird überrascht von frischer Frucht. Er schmeckt mit Zunge und Gaumen. Der Wein ist warm im Geschmack, beinahe süßlich, angenehm weich mit einer erfrischenden Säure. Süße, Säure und Tannin wunderbar harmonisch.

„Wo kommt denn dieser Wein her?“ fragt er. Schnurstracks geht er zum Bräutigam. „Wo kommt denn dieser Wein her?“ Alle, die eine Feier ausrichten, geben den guten Wein zu Beginn der Feier. Da schmeckt man ihn noch. Wer schenkt denn einen solchen Wein aus, wenn die Leute schon getrunken haben oder angetrunken  sind?“

Jesus sorgt für Nachschub. Auch die zweite Hälfte der Feier soll es Wein geben. Und zwar den Besten. Jesus schenkt voll ein. „Kommt her zu mir,“ wird er später einmal seinen Jüngern sagen. „Kommt her zu mir, die ihr mühselig seid, keinen Mut mehr habt, ausgepowert seid. Kommt her zu mir, die ihr beladen seid, die ihre Lasten nicht mehr tragen können. Ich will euch erquicken. Ich gebe euch neue Freude,  neue Kraft,  neue Perspektive. Ich schenke euch voll ein. Und es wird ein guter Wein sein.

Jesus wirkt sein erstes Wunder auf einer Hochzeit. Und er macht aus Wasser Wein. Wasser, das ihm gebracht wird. Von Bedeutung ist es, dass Johannes in seinem Evangelium alle Wunder Zeichen nennt. Die Wunder sollen auf etwas hinweisen. Es geht Jesus nicht nur um den Wein in Kana. Zeichen sind Hinweise auf etwas Größeres. Ein Hinweisschild am Straßenrand – Hier geht es zum Schloss Neuschwanstein – zur Wartburg rechts abbiegen – Noch 3 km zur Burg Hohenzollern – das Straßenschild ist nicht der Höhepunkt. Aber es ist ein Zeichen, in welcher Richtung das Größere zu finden ist. Zeichen sind Vorzeichen. Sie geben einen Vorgeschmack. Sie stehen für etwas, was dahinterliegt.

Wenn dieses Wunder ein Zeichen ist, wofür steht es dann? Jesus lässt sich bitten von Maria. Jesus handelt, wenn jemand mit seiner Not, mit seinem Wasser zu ihm kommt. Jesus können wir unser Wasser bringen. Jesus will uns das volle Leben geben. „Und siehe, es war sehr gut!“ Das sollen Menschen über ihr Leben sagen können, die ihm vertrauen und ihm dienen. Und, wenn wir das mit dem „dritten Tag“ und „seiner Stunde“, von der Jesus gesprochen hat, richtig verstehen, wenn wir schon ein Zeichen für das Kreuz und das leere Grab sehen sollen: Bei Jesus finden wir Gnade und das ewige Leben.

Wäre es Jesus nur um Wunder gegangen, hätte er andere wirken können. Nicht in Kana, sondern in Jerusalem. Nicht so geheimnisvoll, dass nicht einmal der Speisemeister und der Bräutigam wissen, woher der gute Wein kommt, sondern für alle Welt sichtbar.

Jesus setzt Zeichen mit seinen Wundern. Er stellt Hinweisschilder auf. Es werden nicht alle geheilt in Israel. Nicht ohne Glauben, nicht ohne Kontakt mit ihm, nicht so, dass es niemand verstehen kann. Und es werden nicht alle Hochzeiten mit diesem Wein gefeiert. Jesus macht keinen Catering-Service auf, er wird kein Event-Manager, der dafür sorgt, dass alle Feiern super gelingen.

Aber er setzt Zeichen. Johannes schreibt, dass Jesus mit diesem Zeichen seine Herrlichkeit gezeigt hat. Die Jünger sollten es sehen. Seine Mutter wohl auch. Vielleicht haben die Diener auch etwas erkannt. Die meisten Gäste trinken einfach weiter. Sie erkennen ihn nicht hinter dem, was ihr Leben gerade so reich macht.

Geht es nun allen Christen immer nur gut? Haben Christen immer den besten Wein? Das war ja wohl ein Luxuswunder hier in Kana. Eine Feier sollte schön oder noch schöner weiter gehen. Nein. Nicht alle Christen fahren Mercedes. Christen haben nicht immer die beste Ernte. Nicht alle Christen haben drei gesunde Kinder und bekommen neun gesunde Enkel. Nicht alle Christen sind gesund, leben ohne Einschränkungen. „Unter jedem Dach ein Ach!“ sagt man. In jeder Familie, in jedem leben gibt es auch Schweres.

Ich habe eine 98-Jährige besucht, die schwach ist. „Ich warte jeden Tag, dass ich heimgeholt werde.“ sagte sie. „Und wie geht es dir, dass du daran denkst?“ „Ich bin nur dankbar. Ich bin nur dankbar für mein Leben und sehe dankbar nach vorne.“ Sie hat auch viel Schweres erlebt, das ich erzählen könnte. Aber sie sieht zurück und sieht Jesus in ihrem Leben. Er hat sie gut geführt. Er hat ihr Wasser zu Wein gemacht. Letztlich ist es er selbst, den er schenkt.

Unser Glas ist nie halbleer. Es ist höchsten mal nur halbvoll und wartet darauf, dass Jesus es wieder füllt. 600 Liter Wein, das war sicher zu viel. Hieronymus, der Gelehrte und Theologe aus dem 4. Jahrhundert, Hieronymus soll von Spöttern gefragt worden sein, ob die Hochzeitsgesellschaft denn den ganzen Wein ausgetrunken hätte. „Nein“ soll der Theologe geantwortet haben. „Wir trinken alle noch davon!“

Das Fest des Lebens hat in Kana begonnen. Den Wein schenkt Jesus noch heute aus.
Ihm können wir unser Wasser bringen und er wird uns zu seiner Zeit voll einschenken.

Amen.

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