Jona – Missionar wider Willen

Jona – Missionar wider Willen

Heute geht es um Jona. Jona, das war der Mann im Bauch eines Wals. Das ist das Bekannteste von ihm. Obwohl das im Jonabuch nur in zwei Versen erwähnt wird und von einem Fisch die Rede ist. Das ganze Drumherum ist viel wichtiger. Jona ist eine Lehrerzählung. Seine Geschichte wird erzählt als ein Spiegel zunächst für Israel aber dann auch für alle Menschen, denen Gott einen Auftrag geben will. Das Jonabuch ist ein mahnender Spiegel für alle Menschen, die zu Gott gehören.  Ich lese das erste Kapitel aus dem Propheten Jona:

1Eines Tages empfing Jona, Amittais Sohn, eine Botschaft vom Herrn. Gott sprach zu ihm: 2»Geh in die große und mächtige Stadt Ninive und kündige ihren Bewohnern mein Strafgericht an! Denn ihre Bosheit schreit zum Himmel, ich kann sie nicht länger mit ansehen!«  3Jona machte sich auf den Weg – aber in die entgegengesetzte Richtung! Er floh vor dem Herrn und kam in die Hafenstadt Jafo. Dort fand er ein Schiff, das gerade nach Tarsis segeln sollte. Er bezahlte das Geld für die Überfahrt und ging an Bord.
4Doch als sie auf dem Meer waren, ließ der Herr einen starken Sturm aufkommen. Das Unwetter tobte so heftig, dass das Schiff auseinanderzubrechen drohte. 5Angst packte die Seeleute, und jeder schrie zu seinem Gott um Hilfe. Sie warfen Ladung über Bord, damit das Schiff leichter wurde. Jona war unter Deck in den hintersten Raum gegangen, hatte sich hingelegt und schlief fest. 6Da kam der Kapitän zu ihm und rief: »Was liegst du hier herum und schläfst? Los, steh auf und ruf zu deinem Gott um Hilfe! Vielleicht erbarmt er sich und lässt uns nicht umkommen!«
7Die Seeleute sagten zueinander: »Schnell, lasst uns das Los werfen! Wir müssen herausfinden, wer an unserem Unglück schuld ist!« Das Los fiel auf Jona, 8und so stellten sie ihn zur Rede: »Komm, sag uns, warum uns dieses Unglück getroffen hat! Was machst du hier? Aus welchem Land kommst du, und zu welchem Volk gehörst du?«  
9Jona antwortete: »Ich bin ein Hebräer und verehre den Herrn, den Gott des Himmels, der das Land und das Meer geschaffen hat.« 10Dann verriet er ihnen, dass er vor Gott auf der Flucht war. Die Seeleute bekamen noch mehr Angst und machten Jona Vorwürfe: »Warum hast du das getan? 11Was sollen wir jetzt mit dir machen, damit das Meer uns nicht länger bedroht?« Denn die Wellen türmten sich immer höher auf. 12Da sagte Jona: »Werft mich ins Meer! Dann wird es sich beruhigen und euch verschonen. Ich weiß: Dieses Unwetter ist nur durch meine Schuld über euch gekommen.«
   13Die Seeleute ruderten mit aller Kraft, um doch noch an Land zu gelangen. Aber sie schafften es nicht, weil der Sturm immer heftiger tobte. 14Da schrien sie zum Herrn: »Ach, Herr, lass uns nicht umkommen, wenn wir jetzt das Leben dieses Mannes opfern müssen! Bestrafe uns nicht wie Mörder, die unschuldiges Blut vergießen! Denn du hast es ja so gewollt.« 15Sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Sofort legte sich der Sturm. 16Die Männer erschraken und fürchteten sich vor dem Herrn. Sie brachten ihm ein Schlachtopfer dar und legten Gelübde ab.

Jona ist ein Mensch, von Gott berufen. An einem ganz bestimmten Ort soll er genau Bestimmtes sagen: Gott will sich das Unrecht der großen Stadt Ninive nicht mehr ansehen. Jona soll ihnen sagen, dass Gott sie richten wird. Der Auftrag ist klar! Ob dem Menschen das recht ist? Es gibt immer Gründe, nicht zu tun, was Gott will. Auch Menschen, die einen Auftrag von Gott haben, haben noch eigene Ziele und Wünsche im Leben. Und diese Wünsche sind stark! Am Leben zu bleiben und gut zu leben gehört dazu. Eine gesicherte Existenz ist ein Grundbedürfnis aller Menschen. Und nicht dumm dazustehen. Sich nicht lächerlich zu machen, sich die Füße nicht wund zu laufen, wenn doch nichts dabei herauskommt. Man will Erfolg haben im Leben.

Jona hat dieselben Bedürfnisse. Nach Ninive soll er gehen. Wisst ihr, was das bedeutet? Ninive war die Hauptstadt der Assyrer, der grausamsten Herrscher der antiken Welt. Immer wieder  überfielen die Assyrer andere Völker, zerstörten fremde Kulturen und Städte,  schlachteten die Bevölkerung ab, verschleppten Menschen. Das ist so, als ob man einem jüdischen Rabbi  im Dritten Reich befohlen hätte,  in Berlin zu predigen. In die Höhle des Löwen soll Jona gehen. Ins Zentrum des Bösen. Ich weiß gar nicht, mit welchem Ort man das  heute vergleichen könnte. Ich weiß nicht, ob es solche Menschen auch in unserer Stadt gibt, vor denen man Angst hat, die offensichtlich kriminell sind,  denen jeder das Schlimmste wünscht, für die niemand mehr einen Pfifferling geben würde. Zu denen soll Jona gehen.

Jona geht sofort los. Da muss er nicht lange überlegen. Aber er läuft genau in die  entgegen gesetzte Richtung. Die Assyrer würden sich von ihm überhaupt nichts sagen lassen. Er würde sich lächerlich machen, hunderte Kilometer durch die Wüste laufen, riesige Aufwände auf sich nehmen, sein Leben in Gefahr bringen und am Ende gar nichts erreichen. Jona wird sich sein Leben nicht versauen! Jona flieht vor seinem Auftrag. Ninive liegt im Osten, am Tigris, im heutigen Irak. Jona flieht nach Westen. Im Hafen von Jaffa fragt er nach einem Schiff nach Tarsis.

Tarsis, das ist der blühende Westen, das Ende der damaligen Welt.  An der Süd-West-Küste Spaniens. Berühmte Handelsmetropole, westlichste Kolonie der reichen Phönizier. “In Tarsis kannst Du etwas  aus Deinem Leben machen!” Blei, Eisen, Zinn, Silber, kostbare Stoffe. Tarsisschiffe nannten die Phönizier stolz ihre Handelsschiffe. Für Jona war Tarsis das Symbol für Wohlstand und Freiheit!

Jona flieht vor Gott. Uns kaum nachvollziehbar. Wie kann einer denken, vor Gott fliehen zu können?! Flöhe er bis ans Äußerste des Meeres, so wäre Gott auch da! (vgl. Ps. 139) Wir fliehen doch nicht vor Gott! Oder?

Jona nimmt Gott nicht ernst. Das muss man so sagen. Das ist immer so, wenn jemand weiß, was Gott von ihm will, und sie oder er sich taub stellt, Gründe dagegen findet, abtaucht. Menschen nehmen Gott nicht ernst. Tun so, als hätte er ihnen nichts zu sagen. Jona findet ein Boot und zahlt den Fährpreis. Tarsis ist zehnmal so weit weg wie Ninive. Das wird teuer gewesen sein. Auch die Sünde hat ihren Preis. Es ist ja nicht so, dass das Leben ohne Gott billiger wäre. Es kostet auch unser ganzes Leben. Jona zahlt den Preis, um von Gott weg zu kommen.

Zuerst geht alles gut: Die Küste, das Land, in dem Gott zu ihm gesprochen hatte, wird immer kleiner  und  verschwindet am Horizont. Wie ohnmächtig Gott doch ist gegen den Willen eines Menschen! Jona entscheidet sich gegen Gott. Geht auch. Sicher sucht Gott sich jetzt einen anderen. „Adé Israel! Adé Jahwe! Adé Gemeinde!“ Jetzt muss Gott ohne mich an sein Ziel kommen! Ich höre einfach nicht!

Zuerst geht alles gut. Dann kommt der Sturm. Jona schlägt Gottes Auftrag in den Wind und bekommt den Sturm. Es ist sein  Glück, dass Gott ihn nicht  loslässt. Was hätte er denn gemacht in Tarsis? Eine Segelschule eröffnet? Ein Strandcafe? Geld verdient und sich in die Sonne gelegt? Das ist doch nicht das Leben, das er sich gewünscht hat! Sinnlos. Gott geht ihm nach durch den Sturm, der sein Leben und das Leben anderer jetzt erschüttert, in Gefahr bringt.

Der Sturm zerreißt die Segel. Alle Seeleute arbeiten hektisch und beten verzweifelt jeder zu seinem Gott. Kostbare Ladung wird über Bord geworfen. Sie bangen um ihr Leben! Lieber leben mit leichtem Gepäck als sterben auf einem vollgeladenen Schiff. Jonas Ungehorsam bringt auch andere in Gefahr. Wenn Menschen nicht tun, was Gott ihnen gesagt hat, dann leiden andere mit: Ganze Familien, Freunde, eine Gemeinde, ganze Städte. Die Sturheit eines Menschen, der Gott nicht nachgegen will, gefährdet auch andere Menschen.

Alle bangen um ihr Leben und beten, und Jona schläft. So stellt man sich keinen Menschen vor, der Gott kennt. Die Welt brennt und er pennt. Ein toller Bote Gottes. Die Karikatur eines Gesandten! Ein Abziehbild eines Missionars! Kriegt den Mund nicht auf, wo er reden sollte, und legt nicht Hand an, wo er gebraucht wird! Jona betet nicht einmal  Aber wie auch!? Was sollte er denn sagen? “Befiehl dem Herrn deine Wege”! kann jemand wie Jona ja wohl nicht mehr singen! Wie kann er beten, wenn er Gott doch abgesagt hat, auf der Flucht vor ihm ist?

Jona muss erst geweckt werden, bevor er sieht, was los ist. Der Kapitän rüttelt ihn wach. Unsanft. Deutlich: „Wie kannst du jetzt schlafen!? Siehst du nicht, was hier los ist? Was machst du hier überhaupt? Woher kommst du? Wohin willst du? Weißt du das? Kannst du es uns sagen?“ Und dann heuchelt Jona sein Bekenntnis herunter: “Ich bin ein Hebräer und fürchte den Herrn, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat!” Das klingt so wie ein  Mensch, der lange nicht mehr nach Gottes Willen gefragt hat, der lange schon nur seinen eigenen Weg geht und jetzt in der Krise sagt er: „Ich bin Baptist oder Katholik oder Lutheraner, ist ja egal. Ich glaube an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Der Herr ist mein Hirte!“

“Ich bin ein Hebräer und fürchte den Herrn, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene  gemacht hat!” Totes Formelwissen. Das hat er im Synagogenunterricht gelernt. Totes Kopfwissen ohne jeden Bezug in seinem Leben. Jona heuchelt, dass er den lebendigen Gott fürchte. Äußerlich konnte er vor Gott weglaufen. Innerlich nicht. Er wusste immer noch um Gott. Gott meldet sich wieder bei ihm.

„Werft mich ins Meer und das Wasser wird sich beruhigen!” bietet Jona an. Die Ausleger sind sich unsicher, wie man diesen Satz verstehen soll. Einerseits kann man Jonas Angebot positiv verstehen: Er will sich für die anderen hingeben. Immerhin wird Jona darin auch zu einem  Zeichen, das auf Jesus hinweist. Drei Tage ist Jona im Tod, bevor er ans Land kommt. Drei Tage wird Jesus tot sein. Andere Ausleger erkennen in seinem Angebot immer noch Flucht. Er will sich umbringen. Er will lieber nicht mehr leben als umkehren und es mit Gott noch einmal probieren.

Suizid. Selbstmord. Das ist ein sehr trauriges Thema. Fast jede und jeder hier wird jemanden kennen, der sich umgebracht hat. Menschen bleiben zurück mit schrecklichen schmerzlichen Fragen. Warum hat er das getan? Was konnte er nicht mehr aushalten? Wie konnte er mir das antun?

Es sind nicht wenige, die sich das Leben nehmen. Man könnte Tarsis mit Deutschland vergleichen. Ein reiches Land im Westen. Hierhin fliehen Menschen vor Hunger oder Verfolgung oder einfach, um es besser zu haben. Und dennoch sterben in Deutschland jedes Jahr doppelt so viele Menschen durch Selbstmord,  wie es Verkehrstote gibt! Über 10.000 so genannte Freitode jedes Jahr. Wohlstand und äußere Freiheit sind es nicht, die uns am Leben halten.  Der Sturm findet innerlich statt! Die Seele geht über Bord!

Auslöser sind oft aktuelle Krisen: Man hat versagt in Schule, Studium oder Beruf. Liebeskummer, Trennungen, Einsamkeit. Süchte. Psychische Krankheiten. Lebensträume zerplatzen und die Betroffenen sehen sich nicht in der Lage ein anderes Leben anzugehen. Man sehnt sich nach Ruhe und Geborgenheit im Tod. Man meint darin Ruhe zu finden. Gefühle oder Gedanken sind nicht mehr auszuhalten. Sie haben ein Eigenleben entwickelt. Oder man will andere bestrafen.

Die tieferen Ursachen reichen weit in die persönliche Lebensgeschichte zurück. Vielleicht hat man selber gelitten und nach irgendeiner inneren Logik meint man einen Ausgleich schaffen zu können, wenn man seinem Leben nun auch ein Ende setzt. Jetzt sollen andere trauern, jetzt sollen andere leiden. Man wirft sich einfach in die Wellen, wie Jona.

Ich als einmal von einem Seelsorger, dass man immer damit rechnen sollte, dass in Gottesdienst  auch jemand sitzt, der in Gedanken damit spielt, sich selbst zu töten. Darum habe ich diese Möglichkeit aus dem Jonabuch heute aufgenommen. Ist heute jemand hier, der in die Wellen springen möchte? Rede mit jemandem. Suche Hilfe. Auch von einem Therapeuten. Die äußeren Anlässe sind das eine. Manchmal so kleine Anlässe. Die eigentlichen Ursachen liegen oft tiefer. Rede mit jemandem und lass die helfen.

Jona ertrinkt nicht. Jona schwimmt nicht lange. Gott schickt ein wunderbares Transportmittel. Ein Fisch fungiert als Taxi ans Trockene. Erst jetzt beginnt Jona wieder zu beten. Erst als er ganz unten ist. Als er den Tod vor Augen hat. Das Gebet, das Jona im Bauch eines Fisches in den Mund gelegt wird, ist schon ein Gebet im Rückblick.

3 »In meiner Not rief ich zu dir, Herr, und du hast mir geantwortet. Aus der Tiefe der Totenwelt schrie ich zu dir und du hast meinen Hilfeschrei vernommen.6 Das Wasser ging mir bis an die Kehle. Ich versank im abgrundtiefen Meer, Schlingpflanzen wanden sich mir um den Kopf. 7 Aber du, Herr, mein Gott, hast mich lebendig aus der Grube gezogen.

Ich will die Geschichte schnell zu Ende erzählen. Jetzt geht Jona nach Ninive. Und die Assyrer kehren um! Der König befiehlt: Alle sollen fasten und Bußgewänder tragen. Die Heiden beten zu Jahwe: Vielleicht ist ja noch Hoffnung. Jona ist nicht mehr dabei. Er hat getan, was Gott gesagt hat. Jona sucht sich wieder ein sicheres Plätzchen. Er baut sich eine Hütte am Stadtrand. In erhobener Stellung. Wo er seine Ruhe hat. Mit Liebe zum Detail bastelt er sein eigenes Nest. Jetzt darf er sich ja wohl zur Ruhe setzen.

Gott lässt eine große Staude wachsen, die ihn vor der Sonne schützt. Als ein Wurm an den Wurzeln der Staude frisst, verwelkt sie binnen eines Tages. Jona ist schon wieder verzweifelt. Er will diese heiße Sonne nicht. Er will schon wieder sterben. Da spricht Gott ein weiteres Mal zu ihm: „Dich kümmert diese Staude; wie sollte ich da nicht über die große Stadt Ninive bekümmert sein?!”

Das Buch Jona kann man nicht ohne Schmunzeln lesen. Wie ein Mensch, der einen klaren Auftrag hat, vor Gott meint fliehen zu können, und wie Gott ihn dann doch noch an seinen Auftrag kriegt. Und wie Gott seinem Missionar dann anhand eines Strauches seine Liebe zu verlorenen Menschen deutlich macht. Da muss man doch schmunzeln!

Das Buch Jona kann man aber auch nicht ohne Ärger lesen. Dass ausgerechnet der Mann Gottes schläft, wo Menschen um ihr und auch um sein Leben kämpfen! So viel Sturheit kann einen nur zornig machen!

Man kann das Buch Jona nicht ohne Schrecken lesen. Ist es wirklich nur Jona, von dem hier die Rede ist? Das Buch hält jedem, der es liest einen Spiegel vor. “Wo bin ich ein seltsamer Missionar?” Die schlechte Karikatur, eines Gesandten?” Der vor seinem Auftrag flieht. Der vor Gott meint fliehen zu können. Der in der Not Anderer schläft. Der sich vielleicht lieber den Tod wünscht, als zu tun, was er von Gott weiß. Der erst in Lebensgefahr wieder beten und hören lernt. Der ein zweites Mal  gerufen werden muss. Der Gottes Liebe und Gnade nicht begreifen kann.

Und zuletzt kann man das Jonabuch nicht ohne Hoffnung lesen. Weil Gott seinen Leuten nachgeht. Weil für Gott niemand zu weit weg ist. Weil Umkehr immer möglich ist, für Jona und sogar für Ninive.

Weißt Du noch, wozu Gott Dich gerufen hat? Er ruft Dich wieder! Er lässt Dich nicht und nimmt keinen anderen, wenn er Dich zu einer Aufgabe gerufen hat. Und er will Dir seine Liebe zeigen, die er zu allen Menschen hat.

Amen.

 

Mit Freude habe ich auch gelesen die Predigt von Dennis Meier vom 24.01.2009 in der Adventgemeinde Grindelberg (Hamburg) www.predigtpreis.de)

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